Gute Manieren

Mit „Welt“-Chef Mathias Döpfner wählt sich Springer erstmals einen Journalisten zum Vorstandsvorsitzenden

In einer außerordentlichen Sitzung berief am Montag der Aufsichtsrat des Axel Springer Verlages (ASV) den gegenwärtigen Welt-Chefredakteur Mathias Döpfner zum Vorstandsvorsitzenden. Döpfner wird am 1. Januar 2002 die Nachfolge des glücklosen August Fischer antreten – sein bisheriger Konkurrent um den Posten, Claus Larass, wechselt nach fast 20 Jahren Betriebszugehörigkeit zu Leo Kirchs neuformierter Senderfamilie ProSieben Sat.1 Media AG.

Unklar bleibt, womit sich der 37-jährige Döpfner für diese Führungsfunktion qualifiziert hat. Zwar kann ihm zugute gehalten werden, dass er das Springer-Flaggschiff Die Welt publizistisch saniert und vor allem mit einer kontroversen Meinungsseite wieder ins Gespräch gebracht hat – das Defizit des Blattes hat auch Döpfner nicht in den Griff bekommen. Dafür gab er sich in seinen politischen Kommentaren als treuer Anhänger von Helmut Kohl zu erkennen und feierte in der Welt die Neue Wirtschaft über den grünen Klee – für die veraltete Vorstandsetage offenbar ein sicheres Indiz für die Zukunftsfähigkeit des weltgewandten Mathias Döpfner, zumindest im direkten Vergleich zum allzu hemdsärmeligen Claus Larass (55).

Vor allem im neuen Markt elektronischer Medien nämlich hat der ASV allerlei gute Chancen ungenutzt verstreichen lassen: Die langjährige Investitionsruine Sat.1 wurde unter August Fischer verkauft, Beteiligungen an AOL ohne nennenswerten Gewinn abgestoßen, und auch die angestrebte Internationalisierung des Verlagshauses – durch Aufkäufe von englischen Produktionsfirmen – wurde vom Aufsichtsrat gestoppt. Am deutlichsten wurde diese Ziellosigkeit, als Anfang des Jahres „Newsmaker“ eingestellt wurde, Springers „kernkompetentes“ Nachrichtenmagazin auf Sat.1. Kein Wunder, dass der ASV nun auf sein neues Wunderkind hofft: Döpfner ist jung, liberal-konservativ und beherrscht das Vokabular der New Economy ebenso fließend wie den üblichen Branchen-Sprech, den er als Assistent von Gruner + Jahr-Vorstand Schulte-Hillen erlernen konnte.

Begonnen hat die Karriere des studierten Germanisten, Musik- und Theaterwissenschaftlers 1982 mit Musikkritiken für die Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Nachdem er als FAZ-Korrespondent in Brüssel gearbeitet hatte, wechselte Döpfner 1992 zu Gruner + Jahr – zunächst als Assistent von Vorstandsmitglied Axel Ganz. Von 1994 bis 1996 verantwortete er den Relaunch der Berliner Wochenpost, anschließend leistete er eine ähnliche Arbeit bei der Hamburger Morgenpost – bei beiden Blättern war bald von der „Döpfner-Kurve“ die Rede, will heißen: Die Auflagen sanken.

Hinter vorgehaltener Hand heißt es nun, Döpfner habe das Herz von Friede Springer gewonnen, ohne die im ASV keine wichtige Entscheidung gefällt wird. Weil er blaue Augen und Manieren habe, mit über zwei Metern Körpergröße eine imposante Erscheinung sei und außerdem Klavierspielen könne – allesamt Tugenden, die er dem altgedienten „Zeitungsmenschen“ Claus Larass voraus hat. ARNO FRANK