Gaddafis Schwert

Die „Internationale Gaddafi-Wohlfahrtsstiftung“, die die Geiseln freikaufte, ist ein Arm der libyschen Außenpolitik

BERLIN taz ■ Die „Internationale Gaddafi-Wohlfahrtsstiftung“, deren Lösegeldzahlungen von angeblich bis zu 37 Millionen Dollar offenbar die Freilassung der ausländischen Geiseln auf der philippinischen Insel Jolo möglich gemacht haben, war bis zur aktuellen Geiselkrise völlig unbekannt. Nun aber steht die Stiftung im Rampenlicht der Weltöffentlichkeit und erhöht damit den diplomatischen Ruhm des libyschen „Revolutionsführers“ Muammar al-Gaddafi.

Leiter der Stiftung ist Gaddafis ältester Sohn Seif al-Islam Gaddafi. Offiziell zahlte sie natürlich auf Jolo kein Löseeld und unterhält auch keine Beziehungen zur libyschen Regierung. Sich selbst beschreibt sie als „Nichtregierungsorganisation, die sich der Hilfe für Muslime in aller Welt widmet“.

Der 29-jährige Seif al-Islam („Das Schwert des Islam“) studierte in Tripolis Stadtplanung und absolvierte in Wien eine kaufmännische Ausbildung, wo er unter anderem mit Jörg Haider freundschaftlich verkehrte. Sein offizieller Posten ist der Vorsitz der Nationalen Beratungsbehörde, die Pläne zur Umsetzung staatlicher Entwicklungsprojekte erarbeitet.

Seif al-Islam gilt aber vor allem als potenzieller Nachfolger des „Revolutionsführers“, den er bereits mehrmals bei Staatsanlässen vertrat, zum Beispiel bei der Beisetzung des jordanischen Königs Hussein im vergangenen Jahr. Seit einigen Monaten wird unter Diplomaten spekuliert, dass Seif al-Islam bald eine formelle politische Rolle in Libyen einnehmen könnte – womöglich gar als Staatschef. Das Amt gibt es in der politischen Ordnung Libyens derzeit nicht, dessen Notwendigkeit betonte „Revolutionsführer“ Gaddafi jedoch am 1. März, als er die Auflösung der libyschen Zentralregierung verkündete.

Seif al-Islams Stiftung baut Moscheen, Kliniken und Koranschulen in solchen islamischen Ländern, in denen dies den Interessen Libyens nützt. Bisher waren das vor allem Staaten in der Sahel-Zone und in Westafrika, in denen Libyen umfangreiche Bildungs- und Gesundheitsprogramme aufbaut. Das Netz wird aber inzwischen weiter gepannt. Nach eigenen Angaben hat die Stiftung Büros auf den Philippinen, in Tahiti, im Tschad und „im Bau“ in Gaza. Auf Tahiti, Hauptinsel von Französisch-Polynesien, hat Seit al-Islam angeblich am 1. Januar eine Gaddafi-Moschee eingeweiht.

Im Süden der Philippinen plant die Stiftung acht Gesundheitszentren zu errichten sowie Ausbildungsstätten und Moscheen zu bauen. Rajab Azzarouk, Hauptvermittler bei den laufenden Geiselfreilassungen auf Jolo und früherer libyscher Botschafter auf den Philippinen, ist Mitglied der Stiftung.

In Libyen selber umfasst die Gaddafi-Wohlfahrtsstiftung ihrer Selbstdarstellung zufolge mehrere „NGOs“, darunter eine für Opfer von Minen der italienischen Kolonialzeit, und eine Investitionsfirma namens One-Nine Group. Ihren Hauptsitz hat sie in der Stadt Bengasi, aber vor kurzem hat sie Luxusbüros im fünften Stock eines Büroturms in Tripolis bezogen.

DOMINIC JOHNSON