Gebell im Wohnzimmer

Eppendorfer BürgerInnen wollen gegen die Kampfhundeverordnung zu Felde ziehen. Sie halten vor allem die Hundesteuer für ungerecht  ■ Von Sandra Wilsdorf

In Eppendorf regt sich Widerstand: Über 20 Menschen sitzen in einem Wohnzimmer in der Süderfeldstraße. Sie alle sind den Zetteln gefolgt, die seit Tagen im Viertel kleben. „Wenn ich an der Halle vorbeigehe und das Gejaule höre, habe ich den ganzen Tag ein schlechtes Gewissen und kann nachts nicht schlafen“, sagt eine junge Frau. Wie die anderen hier wohnt sie in der Nähe des Universitätskrankenhauses Eppendorf, auf dessen Gelände die Sozialbehörde provisorisch etwa 50 sogenannte Kampfhunde untergebracht hat.

Eine Wohnzimmer-Besucherin hat einen Labrador mitgebracht, einer einen Wuschel-Welpen, zwei Frauen kommen mit American Staffordshire-Terrierin und einem Mischling, der auch eine Prise Pitbull hat. Viele haben ihre Hunde zu Hause gelassen und nur ihre Tierliebe mitgebracht. Sie sind gemeinsam und durcheinander wütend über die Hundeverordnung des Senats. Eine erzählt, dass sie sich sogar mit ihrem Labrador kaum noch vor die Tür traut, „Diese Hatz ist schlimm.“. Eine andere erzählt von einer Bekannten, die von Sozialhilfe lebt, sich die 1200 Mark Hundesteuer nicht leisten kann und deren Hund nur noch nachts raus darf, damit niemand ihn sieht.

Sozialhilfeempfänger waren bisher von der Hundesteuer befreit. Das gilt nun nicht mehr für die, die einen Pitbull oder ähnliches haben. „Aber abgeben kann sie das Tier auch nicht, weil momentan nur Tiere aufgenommen werden, die ausgesetzt oder aggressiv sind“. Sie habe also unterschreiben müssen, dass ihr Tier gefährlich ist, „dabei hat es noch nie etwas getan.“

Stefan Marks, Pressesprecher der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales bestätigt einen Engpass: „So lange die Halle im Harburger Hafen noch nicht fertig ist, gibt es keine Kapazitäten“. Nur wenn Gefahr bestehe, würden die Tiere aufgenommen. Statt etwas Falsches zu unterschreiben, sollten die Halter jedoch lieber die Hundesteuerstelle bitten, dass sie nicht den Jahresbetrag, sondern nur für einen Monat bezahlen müssen. Die Halle werde in zwei bis drei Wochen fertig sein, sagt Marks.

Die junge Frau, deren Staffordshire-Hündin sich in dem Eppendorfer Wohnzimmer den Bauch kraulemn lässt, ist ebenfalls ratlos: „Ich habe sie zur Steuer angemeldet, aber ich kann mir das nicht leisten.“ Sie habe gerade Geld gespart, um die Hündin sterisilieren zu lassen, „das nimmt man uns weg“.

Die meisten Menschen in diesem Wohnzimmer sind dem Milieu vermutlich so fern wie die Sahara Sibirien. Jüngere bis ältere Damen und Herren, junge Mädchen, ein junger Vater mit Baby auf dem Schoß sind dagegen, wie die Hunde in ihrer Nachbarschaft gehalten werden. „Die bekommen doch gar nicht den nötigen Auslauf“, sagt einer. Ein anderer: „Nach ein paar Wochen ohne Tageslicht und fast ohne Auslauf hat jeder Hund einen Knall.“ Und ein Dritter meint: „Aber das wollen die ja, eine Legitimation, sie abzuspritzen“. Von Willkür ist die Rede, von Politikern, die sich mit Aktionismus das Gewissen putzen. „Ohne uns.“

Drei junge Männer, die nicht aus der Gegend kommen, sich aber auch Tierschützer nennen, rufen zu einer Demo am 30. September vom Hauptbahnhof zum Rathaus auf. Nicht unbedingt die Sache der Hallen-Anwohner: Ein Anwalt aus der Nachbarschaft soll nun eine Klageschrift verfassen. „Wir klagen gegen die Haltebedingungen.“ Die Behörde soll wenigstens für genügend Personal sorgen, dass alle Hunde jeden Tag rauskommen“, fordert eine Frau. Weitere Treffen werden folgen.