Kraftwerkshämmern

■ Die US-Jazzdrummerin Cindy Blackman beendete die Sommerpause des KITO

Es herrschte ein anderer Ton, und daran merkte man, dass im KITO eine Ära zu Ende gegangen ist. Das erste Konzert nach der Sommerpause war zwar noch vom Ex-Geschäftsführer Claus Hößelbarth gebucht worden, aber man brauchte nur auf das Septemberprogramm zu sehen, um den neuen Wind zu spüren: Eine Vortragsreihe unter dem Titel „KITOspirituell“ ragt als Neuheit aus dem dünner gewordenen Programm mit etwas Kabarett und etwas Jazz aus deutschen Landen heraus. Die sonst mit Plakaten für kommende Veranstaltungen vollgehängten Wände des KITO-Aufgangs waren leer. Nach der ersten, recht ruppigen Ansage („Das Konzert wird etwas später beginnen! Haben Sie Geduld!“) saß man traurig vor der Bühne, erinnerte sich an die vielen schönen Konzerte der Vergangenheit und an die typische KITO-Atmosphäre, die wohl doch nicht nur durch die Räumlichkeiten, sondern auch durch die Begeisterungsfähigkeit der Veranstalter entstanden war.

Nun also Cindy Blackman, die das KITO bis auf den letzten Platz füllte (was den neuen Geschäftsführer kaum gefreut haben mag, weil die Gage dem Vernehmen nach an die Auslastung gekoppelt war). Die afroamerikanische Schlagzeugerin spielte harten Fusionjazz, der eigentlich seit zehn Jahren aus der Mode gekommen ist. Die Kompositionen sind minimalistisch: meist ein Motiv, eher ein Riff als eine Melodie, das oft wiederholt wird, und Blackman, die die Band beherrschte, trommelte dazu so viele Rhythmusvariationen wie nur möglich.

Interessant wurde diese Musik durch die schiere Energie, mit der die Drummerin spielte. Hier wurde das Schlagzeug tatsächlich zu einem Kraftwerk. Einst war man von der virtuosen Kraftmeierei eines Billy Cobham (der nicht zufällig zu Billy Kloppham degenerierte) ähnlich fasziniert, und wie dieser spielt die zierliche Blackman mit einer unerschöpflichen Schlagkraft. Normalerweise spielt etwa der Drummer sein großes Solo immer am Schluss eines Sets, bei Blackman war gleich das zweite Stück ein unbegleitetes Drumsolo. Dem folgte im gleichen Stet noch ein ähnlicher Einzellauf, und zudem waren viele der Kompositionen als Schlagzeugsoli mit Begleitung angelegt. Fast war man versucht, den Auftritt eher als sportliche Hochleistung zu sehen, aber so schlecht war das Ganze musikalisch nicht.

Vor allem dem als Gegenpol zu Blackman agierenden Gitarristen David Gilmore war es zu danken, dass das Konzert über zwei Stunden seine Spannung hielt.. Dieser spielte seine Soli sehr beweglich, inspiriert und mit melodischen Finessen, wodurch die Musik dann doch viel Komplexität gewann. Der Keyboarder Carlton Holmes spielte schwarzen Funk im Stil von George Duke. Leider konnte er die Finger nicht vom Korg-Synthesizer lassen, und durch dessen Gezirpse klang die Musik dann plötzlich extrem altmodisch. Vom Bassisten Victor Bailey hätte man dagegen gerne mehr gehört. Kein großer, aber auch kein langweiliger Konzertabend. Und das Publikum applaudierte so stürmisch, als wollte es hiermit dem KITO-Programm der letzten Jahre seinen Dank ausdrücken. Wilfried Hippen