zoologie der sportlerarten
: PROF. HOLGER HIRSCH-WURZ über die Männermaid

Evolutionäre Überraschung

Manchmal zeigt die sportliche Evolution, besonders im Bereich der Geschlechter, verblüffende Entwicklungen. Beim Blick über Jahrzehnte fallen zum Beispiel die Fußballspielerinnen auf: In Deutschland bis 1970 verboten, wirken sie heute weit erfolgreicher als ihre degenerierten männlichen Kollegen. Oder man denke an den frühen homo racketensis zurück, vor Boris Becker (homo bumm) ein überaus mickriges Schattengewächs. Heute sind Tennisfrauen sogar dann extrem beliebt, wenn sie nie gewinnen (homo kurnikoviensis).

Früher gab es keine Boxerinnen oder Gewichtstemmerinnen. Und umgekehrt gibt es bis heute keinen Mann auf dem Schwebebalken, weil entweder der eine um- oder der andere sofort herunterfällt. Jetzt aber konnte in den USA das erste Exemplar einer neuen Art aus der Familie der Schwimmer (homo natans) dokumentiert werden: Der männliche homo aquensis synchronensis.

Bislang glaubte man, es gäbe sportiv synchron schwimmende Menschen ausschließlich als Weibchen. Es herrschte sogar die Meinung, diese Spezies pflanze sich eingeschlechtlich einhäusig fort, sexualitätsfrei autonom, wahrscheinlich beim Untertauchen. Genaues aber wusste man nicht, auch nicht, ob sie dazu ihre Nasenklammern abnehmen oder zum Zwecke der Arterhaltung sogar als Stimulativ brauchen.

Das jetzt entdeckte Exemplar hört auf den Namen Bill May, stammt aus nordamerikanischen Gewässern, tummelt sich tümmlergleich als Synchronschwimmer unter lauter Synchronschwimmerinnen und sagt, er werde schon „wie ein Athlet unter vielen behandelt“. Die Fachwelt staunt. Das 21-jährige Kuriosum hat schon reichlich Championate eingeheimst, darunter Landestitel im Kreise seiner Aquamaiden. Konservative sprechen von Degeneration. Ganz konservative, alte olympische Funktionäre also (homo mauschelensis senilis), haben ihm nun, obwohl ordentlich qualifiziert, Beckenverweis für Olympia erteilt.

Weil das gemischte Geplansche nicht vorgesehen sei und irgendwie Schweinkram (pannus porci). Biologisch ist eine solche Diskriminierung nicht zu rechtfertigen. Nasenklammern halten auch auf männlichen Zinken. Der Pionier trägt zwar keinen Dutt, schminkt sich aber und lächelt geschlechterschrankenübergreifend reizend, schön. Sportphysiologisch verfügt er vielleicht über mehr Kraft, gleichwohl aber muss er sich beim „Marathonlaufen ohne Luft zu holen“, wie Enthusiastiker das Synchronschwimmen nennen, im wichtigen Wertungssektor Grazie und Anmut besonders anstrengen, um nicht abzufallen.

Weil Synchronschwimmen qua definitionem auf Synchronität beruht, kann dem US-Wasser-Nurejew auch sein größeres Lungenvolumen nicht zum Wettbewerbsvorteil gereichen: Sonst lässt er womöglich noch, synchron nur mit sich selbst, seine strammen Schenkel über der Wasseroberfläche herumtänzeln, während seine Teammaiden längst hechelnd aufgetaucht sind.

Bill May berichtet über Liebesbriefe Homosexueller und Aufmunterungsschreiben von Schwulenverbänden. Diese vermuten im unmännlich agierenden Ästheten einen der Ihren, ja im Kampf um Gleichberechtigung sogar einen Leitwolf (homo lupus chef). Auch dies ein Vorurteil: May ist so hetero wie Wasser nass. Sozialpsychologen an meinem Lehrstuhl vertreten indes die These, die Männermaid May könne „die Balance der Geschlechter verbessern“.

May selbst denkt offenbar ähnlich. Als er im April als Erster in der 55-jährigen Geschichte der Aquasynchroniker ein Y-Chromosom aufs Siegertreppchen schleppte, meinte er: „This is one small step for me, one giant step for man-kind“ – ein kleiner Schritt für mich, aber ein großer für: ja, nicht armstronghaft mankind, also Menschheit, sondern man-kind: Mannheit. Welch Fanal aus den Fluten! Wir werden die gesellschaftssynchronisierenden Auswirkungen des homo aquensis synchronensis zukünftig aufmerksam weiter verfolgen. Wissenschaftliche Mitarbeit:
BERND MÜLLENDER

Fotohinweis:Hirsch-Wurz, 44, ist ordentlicher Professor für Humanzoologie am Institut für Bewegungs-Exzentrik in Göttingen