Stummer Polizist

■ Wüppesahl-Prozess wegen angeblichem Aktendiebstahls begann turbulent

Im Prozess um 72 geklaute Akten aus der Dienststelle für Kfz-Diebstahl-Organisierte Kriminalität (LKA 243) gegen den Sprecher der „Kritischer PolizistInnen“, Thomas Wüppesahl, ging es gestern im Amtsgericht Altona hoch her: Wortgefechte zwischen dem Wirtschaftskriminalisten und den Staatsanwälten sowie Befangenheitsanträge gegen Amtsrichter Berthold Herrmann wegen der Verweigerung einer Mittagspause und seiner „kollabierenden Verhandlungsführung“ sorgten während der Einlassung Wüppesahls für Tubulenzen. Weil Herrmann Wüppesahls Ausführungen zu lange dauerten, machte er am nachmittags kurzen Prozess: „Dem Angeklagten wird das Wort entzogen.“

Bereits zu Beginn des Verfahrens war Herrmans Zeitplan durcheinander geraten, als Verteidiger Peter Wulf die Verfahrenseinstellung verlangte, da Herrmann nicht Wüppesahls „gesetzlicher Richter“ sei. Der Richter am Amtsgericht Mitte hatte den Erlass eines Strafbefehls von neun Monaten Haft auf Bewährung mangels Tatverdacht verweigert. Die Richterin am Landgericht, Gertraut Göring, hatte daraufhin der Beschwerde der Staatsanwaltschaft stattgegeben, das Verfahren aber nicht zurück, sondern dem Amtsgericht Altona zugewiesen.

In seinen Ausführungen wies Wüppsahls immer wieder auf die „selektive Aufbereitung“ der Ermittlungsergebnisse hin. Alles Entlastende sei nicht berücksichtigt worden. „Seit 20 Jahren wird alles Mögliche getan, um mich kaltzustellen“, so der Ex-grüne Bundestagsabgeordnete.

Da das Gericht als wahr unterstellt, dass es sich beim LKA 234 um eine „lausige Dienststelle“ gehandelt habe, wo schon mal was verloren geht, ist der Dreh- und Angelpunkt der Verfahrens das Gutachten der Schriftsachverständigen Mechthild Niehoff. Sie glaubt auf einem der wattierten Briefumschläge, mit denen einige geklaute Akten 1998 Zeitungsredaktionen zugesandt worden waren, „Ähnlichkeiten“ mit Wüppesahls Schrift erkannt zu haben, „aber auch erhebliche Diskrepanzen“. Ihr Resümee: Wüppesahl könnte mit „sehr hoher Wahrscheinlichkeit“ Urheber sein, aber nicht „mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit.“ Der Prozess geht am Donnerstag weiter. Kai von Appen