Bremer Physiker will mit Alu-Schaum ins All

■ Wie schäumt Aluminium? Das will der Bremer Physiker erforschen und sein Experiment unter Bedingungen der Schwerelosigkeit im Columbus-Labor im Weltraum machen / Heute ist der offizielle Start seines Projektes

Bremen ist ein Standort der Weltraumforschung, die Firma Astrium, ehemals Dasa, baut das europäische Teil „Columbus“-Labor für die Weltraumstation. In Bremen gibt es auch Wissenschaftler, die sagen können: „Wir fliegen mit.“ Einer von denen, die wahrscheinlich das Labor für ihre Experimente nutzen können, ist Dr. John Banhart, Physiker am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik (IFAM). Die europäische Raumfahrtagentur ESA hat sein Experiment genehmigt, heute ist offizieller „Projektstart“.

Auf dem Schreibtisch von Banhart im Bremer Technologiepark steht ein kleiner, runder Alu-Klotz. Um den geht es. „Fast so leicht wie Schaumstoff“, schwärmt Banhart. Und fast so hart wie richtiges Aluminium. Der Trick: Ein Metall-Stück wird auf das fünffache Volumen „aufgeschäumt“, es behält dabei sein Gewicht. Ein Blech von einem Millimeter Dicke ist sehr biegsam, ein auf fünf Millimeter „aufgeschäumtes“ Metall ordentlich steif. Für solche Werkstoffe interessiert sich zum Beispiel die Autoindustrie. Die Firma Karmann in Braunschweig, 13.000 Mitarbeiter, baut Cabrios für verschiedene Marken, auch für den Mercedes SLK, und da Cabrios sehr flach sind, ist es nicht einfach, ein hinreichend „steifes“ Fahrwerk zu bauen. Im IFAM-Institut steht ein Auto-Modell.

Bis zur industriellen Anwendung ist es aber ein weiter Weg. „Erfunden wurde die Methode vor zehn Jahren von Joachim Baumeister“, erzählt Banhart. Baumeister war damals ein junger IFAM- Mitarbeiter, der in seiner Freizeit mit dem Schäumen experimentierte. „Unser Institut war in Lesum noch wehrtechnisch orientiert. Es wurde uns aufgezwungen, Gott sei Dank kann man sagen, zur zivilen Forschung zu konvertieren. Man hat händeringend neue Forschungsgebiete gesucht.“ Und da kam die technische Idee von Baumeister wie gerufen. Das Institut musste sich mehr und mehr von industriellen Aufträgen finanzieren, und die Industrie hat heute großes Interesse an Leichtbauweise. Im Unterschied zu den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, als die ersten Versuche mit Metall-Schäumen gemacht wurden.

Aber wie geht dieser Aufschäum-Prozess im Detail vor sich? Man nehme Metall-Pulver und ein Promill Titan-Hydrid, presse das zu einem Klotz und erwärme den auf ca. 600 Grad, so das Kochrezept. Aber der ist nicht homogen, unten dicker als oben. „Man hätte gern einen homogenen, feinporigen Schaum. Wir verstehen die Grundlagen des Schäumens nicht so ganz“, sagt Banhart.

Banhart hat jüngst erstmals mit Röntgenstrahlen am Synchrotron in Grenoble einen 40 Sekunden langen Film von dem Schäumprozess gemacht, den er stolz vorführen kann. Was gibt es für Probleme beim Metall-Schäumen? „Wenn Sie ein schlecht gezapftes Bier haben, dann müssen sie warten, bis die Flüssigkeit aus dem Schaum herunter ins Glas läuft“, erklärt Banhart eines seiner Probleme. „Ein sehr unerwünschter Effekt, das können wir nicht gebrauchen hier.“ Drainage nennt das der Physiker. Wenn das flüssige Aluminium nach 40 Sekunden abgekühlt wird, soll es gleichmäßig sein, auch die Poren sollen gleichmäßig sein. Die Schwerkraft stört also beim Schäum-Prozess.

„Wir haben im letzten Herbst zusammen mit dem Zarm zwei Parabel-Flüge unternommen“, erzählt Banhart. „Man fliegt in 20.000 Fuß Höhe. Dann zieht der Pilot das Flugzeug steil hoch und lässt das Flugzeug auf einer Wurfparabel durch den Wendepunkt fliegen. 8.000 Fuß Differenz bedeuten für uns 22 Sekunden Schwerelosigkeit.“ Alu schäumt nicht so schnell, also nahmen die Wissenschaftler Blei. „Sie müssen das Material erst mal schmelzen, das kann man notfalls vorher machen. Blei können wir in fünf Sekunden aufschäumen, dann haben wir noch 17 Sekunden, um den Schaum in der Schwerelosigkeit stehen zu lassen. Und dann müssen wir den Schaum noch abkühlen, da gehen auch noch mal zwei oder drei Sekunden weg. 22 Sekunden sind also eigentlich schon fast zu wenig.“

In der Weltraumstation wird Banhart nun die Möglichkeit haben, den Schaum „eine Stunde lang stehen zu lassen“. Mit Ultraschall soll das Schäumen „beobachtet“ werden. „Das wird die größte Herausforderung in den nächsten zwei Jahren. Wir wollen online von hier unten das Aufschäumen beobachten.“

Im Weltraum-Labor wird es „Schränke“ geben, in die „Schubladen“ gesteckt werden können. In diesen Boxen muss alles drin sein für das Experiment, einschließlich Computer und Heizelement. „Eine Schublade ist so groß wie ein CD-Rack. Die wird mit dem Shuttle hochgeflogen und vom Astronauten in den Schrank hineingeschoben.“

Bedarf es der bemannten Raumfahrt für solch Experimente? „Nicht unbedingt“, sagt Banhart. Es gibt sogar Experimente – nicht sein eigenes – da könnten die Vibrationen durch die Tritte der Astronaten sogar stören. Wenn die Toleranzgrenze für Vibrationen „bei zehn hoch minus sechs g“ liegt, sagt Banhart, ist es kritisch. Eine Stecknadelspitze, die auf den Boden fällt, wirkt wie ein Donnern im Verhältnis zu „zehn hoch minus sechs g“.

Die Raumstation ist nicht wegen dieser Experimente gebaut worden. Experimente wie das von Banhart laufen mit, weil es die Station sowieso gibt.

Drei Millionen Mark kostet der Apparat für die Experimente. Eine Millionen Mark der Transport zur Raumstation „Das geht nach Kilo, 30.000 Mark pro Kilo. Für unsere 30 Kilo also etwa eine Millionen Mark.“ Eine Millionen Mark, das ist etwa auch die Summe, die die fünf beteiligten Wissenschafts-Team in den ersten zwei Jahren kosten. „Das billigste sind wir, die Wissenschaftler, die das entwickeln. Die kosten fast nichts.“ K.W.