scharping pur von WIGLAF DROSTE
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Hufeisenpläne bringen Glück. Als Rudolf Scharping im Frühjahr 1999 den angeblichen „Hufeisenplan“ der jugoslawischen Armee präsentierte, der allerdings eine Fälschung des bulgarischen Geheimdienstes war, ging es mit der Karriere des zuvor stark abgehalfterten Sozialdemokraten steil nach oben. Scharping zog in den Krieg und ließ in Pressekonferenzen seinem Jubel darüber freien Lauf: Von „Kinderköpfen“, die „mit Baseballschlägern zertrümmert“ würden oder mit denen Serben „Fußball“ spielten, hysterisierte Scharping in begeistertem und medial höchst nützlichem Furor, von „Föten“, die erst „aus Mütterleibern herausgeschnitten“ und die anschließend „gegrillt“ würden, und immer wieder jubelte er lustvoll: „Auschwitz!“

Anderthalb Jahre später hat Rudolf Scharping wieder ein Hufeisen als Glücksbringer über seine Tür gehängt. Auch diesmal ist die Angelegenheit mit Terror verbunden: Rudolf Scharping bombardiert, und erneut wird die Zivilbevölkerung in Mitleidenschaft gezogen, diesmal die deutsche – sie kriegt sein Privatleben um die Sinne geschlagen. Der Bomber, aus dem das Verderben abgeworfen wird, heißt Bild am Sonntag. Das Zentralorgan zur Verbreitung der Banalitäten aus dem Hause Schröder & Köpf nimmt Nämliches auch von Rudolf Scharping entgegen. Am 27. August sieht man Scharping „zum ersten Mal gemeinsam mit seiner neuen großen Liebe vor der Kamera: Das erste Wochenende ohne Heimlichkeit, dort, wo sie sich bisher nur heimlich treffen konnten – in der romantischen Blockhütte eines verschwiegenen Freundes im Taunus.“ Die Kunst, in der BamS ganz exklusiv verschwiegen zu sein, beherrscht Rudolf Scharping: „Wir wollen zusammenleben, so lange uns der liebe Gott leben lässt.“ Wie lang das dauert, hat Scharping schon ausgerechnet: „Nach der Statistik habe ich noch gut 26 Jahre zu leben. Ich hoffe auf über 26 schöne Sommer, bunte Wiesen, Sonnenschein, eine gute Flasche Wein und Tina im Arm.“ Vor allem will Scharping eines: „Ein paar Tage wegfahren – egal, wohin.“ Denn „Tina ist eine gut aussehende, kluge, sehr zärtliche und fürsorgliche Frau, dabei selbstständig und selbstbewusst.“ Was Scharping durchblicken lässt, wenn er Frau Pilati-Borggreve „sehr zärtlich“ nennt, möchte man nicht wissen müssen.

Ähnliche Empfindungen löst auch das Fotomaterial aus, das Scharping der Öffentlichkeit hinterherträgt. Wer in dieses Gesicht hineinsieht, muss erkennen, dass jede Warnung vor den Folgen genetischer Manipulation zu spät kommt. Zum christophdaumartigen Mienenspiel fügt sich die replikantenhafte, eingefrorene Motorik.

Tröstlich ist allein Scharpings Wunsch nach Selbstbestrafung und Flagellanz: „Hartmut Engler von der Gruppe ‚Pur‘ hat vor ein paar Tagen angerufen und uns ins Konzert eingeladen. Jetzt können wir ja in der Öffentlichkeit zusammen ins Konzert gehen.“ Ob das speziell für die Öffentlichkeit ein Fortschritt ist, muss bezweifelt werden. Dass sich aber Scharping mit dem Besuch der ästhetischen Todesfalle Pur freiwillig der Höchststrafe aussetzt, lässt doch hoffen.