Pitbull aus dem Plattenbau

Der Cottbuser Trainer Eduard Geyer als Phänomen deutscher Fußball-Ästhetik

„Die Spieler sollen nichtjammern. Sie sollen froh sein, dass sie an frischer Luft sind“

Das Böse befindet sich nicht mitten unter uns, wie immer behauptet wird, sondern nahe der polnischen Grenze. In Cottbus. Tief im Osten also. Und dort ist es gut aufgehoben, denn nur in einem Nest ohne Glanz und Ausstrahlung, mit realsozialistischem Ambiente und den an vierspurigen Straßen hingekübelten Plattenbauten, wo man freiwillig alle Hoffnung fahren lässt, in Cottbus also, treibt Eduard Geyer sein übles Unwesen.

Der ehemalige Trainer der Deutschen Demokratischen Nationalmannschaft hat eine vollkommen blasse und mittelmäßige Mannschaft in die erste Fußball-Bundesliga gepeitscht. Mit einer Nilpferdpeitsche und einer neunschwänzigen Katze. Und auch sonst waren dem ehrgeizigen Zoni alle Mittel und alle nach der Genfer Konvention verbotenen Foltermethoden recht, um sein Ziel zu erreichen. Und das besteht in der Wiedereinführung des preußischen Stechschrittfußballs und des sozialistischen Einheitsflachpasses. Dafür unterwirft er billige Fremdarbeiter einem militärischen Drill, den er in Verwechslung mit der Grundausbildung bei der Nationalen Volksarmee für Profitraining hält. Wüssten die, was auf sie zukommt, sie würden sich in weltrekordverdächtiger Zeit aus dem Staub machen. So jedoch besteht der starke Verdacht, dass den Spielern, die aus dem Ostblock zusammengekauft wurden und der deutschen Sprache nicht mächtig sind, obendrein noch Drogen verabreicht wurden, als sie den Knebelvertrag unterschrieben, der sie nun völlig rechtlos dem geyerschen Terror unterwirft.

„Gegen mein Training ist Bundeswehr wie Urlaub“, dröhnt Geyer, denn die Nationale Volksarmee gibt es nicht mehr. Jetzt ist die Bundeswehr der offizielle Maßstab aller Schleifer, auch wenn Geyer die Scharping-Truppe für einen Verein von Warmduschern hält, weil sein Soldatensohn, den er einmal in der Soldatenschule besuchte, noch nicht auf dem Zahnfleisch robbte. Eduard Geyer hält es da lieber mit der alten Methode: die Spieler solange laufen zu lassen, „bis sie kotzen“ und erschöpfungshalber zusammenbrechen. Dann gibt es zur Erholung „Extraschichten im Kraftraum“.

„Ihr werdet trainieren, bis euch die Augen rausfallen“, kündigt er an und wundert sich anschließend darüber, dass die Spieler blind über den Rasen stolpern und keinen Ball mehr treffen. Zwar werden die Fans anderer Vereine im „Stadion der Freundschaft“ von einem schmierigen Animateur „Willkommen in der Hölle“ geheißen, aber unter diesen Umständen wird Cottbus eine sehr nette Hölle, aus der man sich gern drei Punkte abholt.

„Die Spieler sollen nicht jammern. Sie sollen froh sein, dass sie an frischer Luft sind und nicht am Hochofen stehen.“ In Cottbus von frischer Luft zu sprechen, zeugt von einer eigenartigen Wahrnehmung und einem jahrzehntelang durch Trabbi-Abgase degenerierten Geruchssinn, während der Hochofen eine gar nicht so üble Alternative zu sein scheint angesichts der Drohung, von Eduard Geyer eins „in die Fresse“ zu bekommen, sieht man einmal davon ab, dass es selbst in der DDR mittlerweile keine Hochöfen mehr gibt.

„Muskelverhärtung? – Was ist das? So was kannten wir früher nicht!“, wettert der Mann, dessen Gesicht eine einzige Muskelverhärtung ist, von dem man gar nicht weiß, wie er ohne aufgerissene Klappe und wutverzerrte Züge eigentlich aussieht, und der in ästhetischer Hinsicht eine starke Konkurrenz für den Bayern-Tor Oliver Kahn darstellt.

Bislang pries ihn Bild als „ ‚Geyer Gnadenlos‘ – der Mann, der im Profi-Saustall ausmistet“, und rapportierte brav seine Jahrmarktsnummer als zähnefletschendes Zonenmonster. Jetzt aber wurde es Bild zu langweilig: Das Balkenblatt enthüllte Geyers Stasi-Vergangenheit, die bereits vor acht Jahren enthüllt wurde und die Geyer im Grenzstädtchen nur noch beliebter gemacht hat, denn schon lange ist die Stasi-Zugehörigkeit ein Ehrenabzeichen gegen westliche Einmischung in die inneren Zonenangelegenheiten. Neu an den Enthüllungen von Bild ist nur, dass Geyer Geld für seine ehrenamtliche Tätigkeit genommen hat. Über 500 Ostmark und 100 Westmark gibt es eine Quittung. Jetzt versteht man besser, warum sich Geyer immer über das viele Geld erregt, dass die „Jungs“ bloß „versauen“ würde. Er selbst hatte sich für Kleingeld zum Trottel gemacht.

KLAUS BITTERMANN