Der diplomatische Routinier

Ab jetzt leitet UN-Botschafter Dieter Kastrup die Entschädigungsstiftung von Bund und Wirtschaft

Die Gelder fließen zäh, das Ausland rüstet zur Empörung. Jetzt tritt der Routinier für historisch sensible Krisen an den Verhandlungstisch: „Er ist erfahren auf internationalem Gebiet und äußerst geschickt in Verhandlungen – er ist der einzige, der diese Aufgabe meistern kann“, begründet eine Regierungssprecherin, warum der Kanzler Dieter Kastrup, den deutschen UN-Botschafter, zum Kuratoriumsvorsitzenden der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ berufen hat.

Zum sensiblen Diplomaten reifte Kastrup heran, als noch der Kalte Krieg jedes diplomatische Handeln überschattete, Brandts Ostpolitik die starren Blöcke porös machen wollte. An der Seite von Hans-Dietrich Genscher handelte er, damals Politischer Direktor im Auswärtigen Amt, den Zwei-plus-Vier-Vertrag aus. Er galt als zentrale Figur im Hintergrund: Ein Diplomat mit analytischem Scharfsinn, den Insider als „erfreulich uneitel“ beschreiben. Als offenen, freundlichen Mann, dessen trockener Humor festgefahrene Verhandlungen aufbricht. Der sich nicht in den Vordergrund drängelt, aber immer, wenn es wichtig wird, in der ersten Reihe steht.

Dorthin wurde er in den vergangenen Jahrzehnten oft gezerrt – vor allem dann, wenn historisches Erbe Verhandlungen erschwerte: Erst war der promovierte Jurist Diplomat in Rio de Janeiro und Teheran. Ab 1980 leitete er im Auswärtigen Amt das Referat „Berlin und Deutschland als Ganzes“, 1988 übernahm er die Politische Abteilung, die für die EU, für die Nato und für die Beziehungen zu den USA und zu Osteuropa zuständig ist. Nicht nur bei Zwei-plus-Vier, auch beim deutsch-sowjetischen Partnerschaftsvertrag und beim deutsch-polnischen Grenzvertrag saß Kastrup mit am Verhandlungstisch. 1991 wurde er Staatssekretär im Auswärtigen Amt, ging dann als Botschafter nach Rom, schließlich 1998 zu den Vereinten Nationen.

Und nun also der Kuratoriumsvorsitz. Auf den 27-köpfigen Stiftungsrat, der sich gestern in Berlin konstituierte, warten mehr als nur organisatorische Aufgaben: Noch fehlen 1,8 der geplanten fünf Milliarden. Die Lage ist festgefahren, die Aufgabe schwierig. Und damit der ideale Job für den Krisenprofi Kastrup. Intellektuell und auch geografisch: Denn als UN-Botschafter in New York sitzt er an der Nahtstelle zwischen Deutschland, wo das Geld mehr oder weniger zäh zusammengesammelt wird. Und den USA, wo die letzten überlebenden NS-Opfer nun endlich auf eine Entschädigung hoffen.

COSIMA SCHMITT

Bundeskasse Bonn, Konto: 38 00 10 60, BLZ 38 00 00 00, Stichwort: Zwangsarbeiterentschädigung