„Der Kampf ist verloren“

Viel guter Wille und noch mehr Ratlosigkeit: In einem „Werkstattgespräch“ mit Experten suchen die Grünen nach konkreten Wegen für ihr Engagement gegen rechte Gewalt

Andreas Schulze stellt sich vor, es sei Nacht. Der Landesvorstandssprecher der Bündnisgrünen sitzt allein in der U 5 nach Hönow, neben ihm ein Mann ghanaischer Herkunft. Da stürmen fünf Glatzen herein und wollen den Neger „klatschen“. Was soll man da machen, fragt Schulze, „ohne ein Held sein zu müssen“?

Der Vorstand der Berliner Grünen hat in die Landesgeschäftsstelle der Partei in Kreuzberg geladen. Es ist Donnerstagabend, und die Skins und Hönow sind weit weg. Die Grünen wollen in einem „Werkstattgespräch“ darüber reden, was man als Partei, unten an der Basis und möglichst konkret, gegen die rechtsradikale Welle im Land tun kann. Geladen hat man zu diesem Abend der „Politikberatung“, wie Schulze sagt, auch zwei Experten: Hajo Funke, Politologe an der Freien Universität (FU), und Dierk Borstel vom „Zentrum Demokratische Kultur“ in Mitte.

Borstel berichtet, wie man in Hohenschönhausen versucht, die Rechten durch community coaching zurückzudrängen, also durch die Zusammenarbeit aller relevanten Gruppen im Bezirk. Funke fasst sein Wissen über die Ausbreitung der rechten Ideologie in der Jugendkultur des Ostens zusammen. „Rechts ist Mainstream“, sagt er, „völkische Alltagskultur.“ Mittlerweile wüte bereits die dritte rechte Jugendgeneration.

Funke attackiert die rot-grüne Bundesregierung, die seit zwei Jahren auf diesem Feld praktisch untätig gewesen sei. Eine Bündnisgrüne zeigt sich „hilflos“, gegen die Rechten an der Basis effektiv zu agieren, wenn gleichzeitig ihre Regierung ihr dabei so wenig Unterstützung gebe. Eine Abgeordnete fragt sich, warum die Zivilgesellschaft offenbar so schwach ist, wenn es gleichzeitig so viele Initiativen und Gruppen gibt. Ein Mitarbeiter der Arbeitsgruppe „Migranten und Flüchtlinge“ klagt, die Partei habe in den letzten Jahren das Thema Ausländer schleifen lassen.

Wie kann man Leute finden, die sich bestehenden Initiativen gegen rechts anschließen oder neue gründen?, fragt ein Diskutant. Ein anderer erinnert sich: Die Jugendkultur der 60er- und 70er-Jahre habe die Bundesrepublik stark geprägt – doch wie wird der heutige, rechte Nachwuchs dies in Zukunft tun? „Der Kampf ist verloren“, sagt der Redner. Doch wo sind die „Inseln“, in denen Neues wachsen könnte?

Viel Ratlosigkeit herrschte am Donnerstagabend in Kreuzberg. Bostel mahnte noch: Der Mut finde sich, wenn man mit anderen zusammen kämpfe. Die Grünen sind zumindest auf der Suche. PHILIPP GESSLER