: „Ausnahme von der Regel“
Sollten sich Schachspieler dopen? Der Weltverband testet jetzt jedenfalls seine Spieler. Der Mediziner und Großmeister Helmut Pfleger hält Doping im Schach für unsinnig
taz: Manfred Donike, verstorbener Leiter des Kölner Doping-Labors, befand einmal: „Es gibt keinen Sport, in dem Doping nichts bringen würde.“ Gilt das auch für Denksport?
Helmut Pfleger: Schach ist hier wohl die berühmte Ausnahme von der Regel. Sowohl dämpfende als auch stimulierende Substanzen haben unliebsame Nebenwirkungen, die einen erwünschten Effekt eher überwiegen.
Welche Mittel könnten Leistungen steigern?
Selbstverständlich können kleine Dosen von Koffein anregend wirken, nicht umsonst ist Kaffee oder auch schwarzer Tee ein beliebtes Getränk von Schachspielern. In größeren Mengen überwiegen indes die negativen Kreislaufwirkungen zum einen, Störungen des klaren Denkens zum anderen.
Steigern Betablocker, die den Herzschlag vermindern und den Blutdruck senken, die Leistung in Stressphasen?
Es gibt Spieler, die zu Übererregbarkeit und so zu gelegentlichen Blackouts neigen, so dass Betablocker sinnvoll erscheinen mögen. Doch auch hier sind, abgesehen vom heutigen Verbot, große Bedenken anzumelden. Bei einer Schachpartie ist von vornherein nicht abzusehen, wann es eine besonders spannende Partiephase gibt. 1979 nahm ich an einem Weltklasseturnier in München teil, bei dem ich auch die Teilnehmer untersuchte. Vor meiner Partie mit dem Exweltmeister Boris Spasski nahm ich einen Betablocker – mit katastrophalen Folgen.
Was passierte?
Pulsfrequenz und Blutdruck sanken in den Keller. Mit großem Gleichmut spielte ich einen ziemlichen Käse und verlor sang- und klanglos.
Bringen dagegen Stimulanzien etwas?
Bei einer länger dauernden Schachpartie besteht die Gefahr, dass gerade in der Abklingphase des Amphetamins mit ihrer „deprimierenden“ Wirkung besondere Wachheit erforderlich wäre.
Was ist mit Koffein? Nach wie viel Tassen Kaffee ereicht man den Grenzwert?
Das ist schwer zu bestimmen. Zum einen hängt das sehr stark von Faktoren wie dem Körpergewicht des Sportlers ab. Zum anderen besitzen Cola- oder Kaffeesorten unterschiedlich hohe Koffeinwerte. Bei Stoffwechselstörungen können schon zwei Tassen für eine positive Probe genügen, generell gilt aber: Der Koffeinwert, bei dem Doping vorliegt, wurde so hoch gewählt, dass er bei normalen Lebensgewohnheiten nicht erreicht wird.
Robert Hübner kündigte sein sofortiges Karriereende an, sollte es im Schach Dopingproben geben. Der Niederländer Jan Timman will in diesem Fall gar einen eigenen Verband gründen.
Ich kann die Gefühle von Hübner und Timman gut verstehen. Andererseits müssen wohl auch die Schachspieler B sagen, nachdem sie A gesagt haben, nachdem sie um Aufnahme als olympische Sportart nachgesucht haben. Gleiches Recht für alle. Ganz persönlich wird mir der Sport mit all den Dopingskandalen immer mehr verleidet.
INTERVIEW: HARTMUT METZ
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen