Polens Euroträume und die Inflation

Obwohl die Zinsen bei rund 20 Prozent liegen, sinkt der Wert des polnischen Zloty. Die rechtspopulistische Regierung lässt sich immer wieder zu Zugeständnissen an Verbände und Gewerkschaften hinreißen. Erfüllung der Euro-Kritierien rückt in die Ferne

aus Warschau GABRIELE LESSER

In Polen frisst die ständig steigende Inflation die Einkommen und Renten auf. Die Stimmung im Lande verschlechtert sich zunehmend. Denn noch wirkt der Inflationsschock von Anfang der 90er-Jahre nach, als viele Polen innerhalb von Wochen und Monaten ihr gesamtes Barvermögen verloren. So schlimm ist es zwar jetzt noch nicht, doch viele Polen flüchten bereits wieder in den Dollar, die heimliche Zweitwährung des Landes. Um 5 bis 6 Prozent sollte in diesem Jahr die Inflation steigen, nicht aber um mehr als 11 Prozent wie im Juli. Das zumindest hatte sich die Nationalbank zum Ziel gesetzt. Immerhin soll der Zloty in wenigen Jahren bereits die Euro-Kriterien erfüllen. Mit einer so hohen Inflation aber sinken die Chancen für einen baldigen Beitritt zum Euro-Verbund.

Am Mittwoch zog der Währungshüter Polens, der Monetäre Rat, dem sowohl Vertreter der Nationalbank als auch Politiker angehören, die Notbremse. Er erhöhte die drei wichtigsten Leitzinsen des Landes um weitere 1,5 Prozentpunkte. Sie betragen nun zwischen 19 und 23 Prozent. Die Warschauer Börse reagierte kaum auf die Leitzinserhöhung, da der Monetäre Rat sie bereits für den Fall angekündigt hatte, dass die Regierung ihre protektionisitsche Marktpolitik nicht aufgeben würde.

Preistreiber Nummer eins in Polen ist nämlich die gewerkschaftsnahe rechtspopulistische Regierung, die seit Anfang Juni allein von der Wahlaktion Solidarność (AWS) geführt wird. Statt langfristiges Wachstum anzustreben und den Markt allmählich für den EU-Beitritt mit seinem enormen Konkurrenzdruck vorzubereiten, erliegt die Regierung immer wieder den Forderungen und Drohungen der Bauernlobbyisten und verbliebenen Staatsgewerkschaften. In diesen sind Tausende von Arbeitern organisiert, die lediglich für ihr Erscheinen im Betrieb bezahlt werden, obwohl es gar keine Arbeit mehr für sie gibt.

Auch die Energiemonopolisten ertrotzen sich immer wieder Privilegien. Innerhalb der letzten zweieinhalb Jahre hat die zunächst von einer Koalition der AWS und der liberalen Freiheitsunion (UW) gebildete Regierung ein protektionistisches Netzwerk geschaffen, das vor allem die Bauern vor der Konkurrenz aus der Europäischen Union schützen soll. Zur Folge hat es allerdings nicht nur, dass die ganze polnische Gesellschaft die Rechnung für die „Ruhe im Lande“ zu zahlen hat. Auch das Verhältnis zur Europäischen Union, der Polen ja baldmöglichst beitreten will, ist erheblich gestört. Zum Dritten schließlich hat diese Politik jeder Form von Korruption Tür und Tor geöffnet. All dies hat inzwischen auch die Regierung erkannt, doch die Angst vor der eigenen Klientel verhindert die so nötige Strukturreform in der Landwirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt.

Die Heraufsetzung der Leitzinsen wird daher die Inflation nicht nachhaltig bremsen können, zumal die Zinssätze auch bisher schon exorbitant hoch waren. Dennoch geht von der weiteren Erhöhung ein deutliches Signal aus. Die AWS-geführte Regierung, die gern auch die nächste Legislaturperiode bestimmen würde, muss die Wachstumsprognosen für dieses und wahrscheinlich auch das kommende Jahr nach unten korrigieren, womit sich die Chancen, wiedergewählt zu werden, erheblich verschlechtern.