Kondensierte Idee

Fatih Akin darf einen Film vorführen und entscheidet sich für „Bonnie und Clyde“  ■ Von Georg Felix Harsch

Fatih Akin fühlt sich den New Hollywood-Filmen sehr verpflichtet. Das wurde gerade in Kurz und Schmerzlos mehr als deutlich und war am Erfolg sicher auch nicht ganz unschuldig. Denn, egal wie weit sich eine 80er Jahre-Sozialisation auf den Geschmack ausgewirkt hat, die Vorstellung davon, was ein guter Film ist, ist bei einem Großteil der Kinogänger (vor allem den Jungs) aus Akins Generation immer noch untrennbar mit dieser Aufbruchsphase des amerikanischen Kinos und dem, was sie nach sich zog, verbunden. Die alten Sä-cke der Industry aus ihren Bürosesseln scheuchen, Erzähl- und Sehweisen ändern, sogar die etablierte amerikanische Filmkritik zum Umdenken zwingen – die Erfolge von Scorsese, Peckinpah, Coppola und Konsorten haben bis heute für traditionsbewusste FilmerInnen und Nerds Vorbildfunktion.

Zum Start seines Road Movie Im Juli durfte sich der Mann, der neben Gott auch immer Scorsese dankt, nun einen Wunschfilm aussuchen, und er hat sich für den entschieden, mit dem so vieles begann: Bonnie und Clyde. Was dieser Film über das legendäre Dust-Bowl-Gangsterpärchen Bonnie Parker und Clyde Barrow 1967 angeblich und tatsächlich so alles losgetreten hat, ist Filmlegende. Die Zensurmaßgaben für Gewalt hat er erweitert – zum ersten Mal starben Menschen in der selben Einstellung, in der auf sie geschossen wurde, und dabei durften sie alles vollbluten. Hier hat Sam Peckinpah gesehen, wie ein Blutballett funktioniert. Das Road Movie wie wir es kennen hat er auch ganz alleine erfunden, Warren Beattys Karriere bis zu seiner heutigen Rolle als Hollywoods letztem Linksliberalem festgeschrieben, Faye Dunaway zur Diva gemacht und Oliver Stone auf die Idee gebracht, in einem Film über zwei verliebte Massenmörder und die Medien könne man Ästhetik und Ideen einer ganzen Generation kondensieren und kritisieren.

Um so etwas zu schaffen bedarf es aber einer ganz bestimmten historischen Konstellation, die Arthur Penn, der dann 1969 auch Buch und Regie für Alices Restaurant in die Hand nahm, auf seiner Seite hatte. Der vor allem auf Grund seiner klassenkämpferischen Bedeutungsmöglichkeiten so populäre Bezug auf die Depressionszeit und den Dust Bowl war bei den Steinbeck lesenden und Woody Guthrie wiederentdeckenden StudentInnen der späten 60er von vornherein populär.

Wie Im Juli in seinen besseren Momenten eine poppig aufbereitete Sprache für ein anderes Europa findet, zeigte Bonnie und Clyde ein latent klassenkämpferisches und vor allem moralinfreies weißes Amerika. Und das ganze mit dem irren „Foggy Mountain Breakdown“ von Flatt & Scruggs im Soundtrack, der Bluegrass noch einmal auf die Plattenteller brachte, weil schnelles Autofahren und manische Musik in unseren Filmbildern so schön zusammengehören.

heute, 23 Uhr, Abaton