berliner szenen
: Analog ist besser

Senor Coconut

Am Freitag Matthew Herbert, am Samstag Senor Coconut: Das Maria am Ostbahnhof hat sich nach einer Umbaupause als richtiger Konzertatmosphären-Club zurückgemeldet. Mit Tanzen war da nicht so viel, vor lauter überraschtem Auf-die-Bühne-Starren hatte man dazu gar keine Zeit. Bei Herbert versuchte man einigermaßen mitzubekommen, wie dieser sich alles mögliche griff, was irgendwie zum Klappern zu bringen war, das dann in den Sampler einspeiste und so eine Art Beat-Workshop zelebrierte. Vom Zuschnappgeräusch eines Wasserkocherdeckels bis hin zum Röcheln einer zerknitterten Cola-Plastikflasche war da alles dabei. Hauptsache war, dass sich die Entstehungsschichten der Zutaten für die eigenwilligen House-Tracks einigermaßen spektakulär vollzogen. Senor Coconuts Auftritt geriet noch viel bizarrer. Da stand er, der Senor, den man auch unter dem recht unglamourösen Namen Uwe Schmidt kennt, und klapperte in seinem weißen Anzug auf Klangstäbchen Kraftwerksongs nach.

Die Maria war knallvoll, und alle starrten auf die Bühne, die in der neuen Maria nicht mehr so in der Ecke rumlümmelt, sondern den ganzen Raum viel besser ausfüllt. Und auf dieser wurde gerade die derzeit vielleicht aufregendste Innovation der elektronischen Musik in eine performative Form gepresst. Und präsentierte sich tatsächlich als nichts anderes als eine waschechte und recht professionell agierende Latino-Combo, die gerade unvergessliche Hits wie „Autobahn“ als Merengue oder „Neon Lights“ als Cha-Cha-Cha servierte.

Nach so etwas kann eigentlich nur noch Sven Väth dirigiert Metallica oder Wolfgang Voigt zusammen mit den Wildecker Herzbuben schocken. Die ganze Sache funktionierte so verwirrend gut, dass man zweifelte, ob die ganze Latino-Kraftwerk-Platte von Senor Coconut wirklich nur am Sampler zusammengebastelt wurde: Live klangen Kontrabass, Saxophon, Sänger und die diversen Percussionisten kaum anders als auf dem Tonträger. Die nächsten Konzerte in der Maria können eigentlich nur unspektakulärer werden. ANDREAS HARTMANN