Der Mullah von Bullerbü

von WIGLAF DROSTE und GERHARD HENSCHEL

Was bisher geschah: Kommissarin Gisela Güzel ermittelt. Die Spur führt zum Hermannplatz . . .

Gisela Güzel wollte den Tag gerade abhaken, als das Telefon didelo-didelo-di machte.

Hauptkommissar Hunter war dran, ihr alter Freund und Helfer. „Schön, dass Sie wieder an Bord sind, Gisela. Darf ich Sie zum Essen ausführen?“

„O gerne. Wohin denn?“

Hunter druckste ein bisschen herum. „Na ja, es ist eher dienstlich. Wir haben einen Tipp vom Gesundheitsamt gekriegt. Arabische Wochen bei McDonald’s. Irgendwas soll da faul sein.“

„Passt zum Tag. Bringen wir’s hinter uns.“

Eine halbe Stunde später standen Gisela Güzel und ihr Chef vor dem Schalter der McDonald’s-Filiale am Hermannplatz. Wuselige Mullahs brieten Geselchtes, und Leichtlohntaliban tüteten die Spezereien ein.

Es gab allerhand: frittierte Koptenfüße im Schlafrock, gepökelte Ungläubigenzungen und Aramäer in kochendem Öl. Auch die Kleinen kamen nicht zu kurz. Knusprig gegrillte Fötenpfötchen gingen als „Kinderteller Rudolf Scharping“ zu Dutzenden über den Tresen. Zu trinken gab es Fatwa light und Koran-Coca nach islamischem Reinheitsgebot. Als Gisela Güzel das Wort „Überraschungsmenü“ las, musste sie sich setzen. Auch Waldemar Hunter war etwas grün um die Türknaufnase geworden.

Auf dem Tisch lag ein Exemplar der McDonald’s Koran News. Es wurde auf jede Menge Raves hingewiesen, vor allem auf Hinrichtungen und auf Billigflüge für Schaulustige. In Kabul sollte demnächst der beliebte Scharfrichter Abdul Tschüssikowski einige Heiden steinigen. Die Empfehlung endete mit den Worten: „Hingehen, mitmachen, Spaß haben!“

Die Kommissarin blätterte um. Auf der nächsten Seite hatte der Tierpark Kandahar eine Kleinanzeige geschaltet. „Neu im Streichelzoo: Christenhunde!“ Und in der Mekka-Ecke beschwerte sich der Prophet Faruk al-Rachengold aus dem Nordsudan über mangelnde Intoleranz: „Jesus ist für mich der reinste Abtörn-Klopper!“ Zwei Tische weiter saß ein Mullahpulk und schnabulierte Finger-Food: sauer eingelegte Ringfinger von Ehebrecherinnen.

Ein neuer Gast betrat die Filiale. Es war Peter Maffay. Seine Band trottete hinterdrein. „Riescht gut hier“, rief der Sänger. „Isch glaub, isch bin in Grieschenland!“ Er bestellte zwei Junior-Tüten und einen Liter Angstschweiß mit Strohhalm. Schmatzend brachte er der Belegschaft ein Ständchen:

Isch gehe wirklisch gerne zum Grieschen / an rischtisch krossem Gyros dran rieschen. / Frisch verbrutzelter Schweinerfleisch, / ganz egal, ob arm oder reisch, / wir sind Brüder, / singen Lieder, / sind von der gottverflixten Nahrungskette nur Glieder, / doch das sind wir gern. / Dieser Song ist ein Hit! / Mahlzeit, Mahlzeit, / nie warst du tiefer in mir. / Legt die alten Geschischten ad acta, / Deutschland hat wieder Charakter. / Es steht jetzt zu seiner Vergangenheit. / Okay, uns tut schon Verschiedenes leid, / was wir taten / als Soldaten, / doch isch seh grad, hier kommt meiner Schweinerbraten, / und der riescht so lecker! / Ja, die Nase isst mit. / Mahlzeit, Mahlzeit, / nie warst du tiefer in mir. // Wir gehen reischlisch gern in die Vollen, / trinken Ouzo, Retsina und Mollen, / haben Respekt vor der Tiere und Pflanzen, / vor Verhungernden und Menschen mit Ranzen. / Wir sind alle / in der Falle, / ganz tief drin in der Traufe aus Sehnsucht und Galle, / doch ihr last Rilke, / als der Traum eusch entglitt. / Mahlzeit, Mahlzeit, / nie warst du tiefer in mir.

Während die Band im Hintergrund huhute, ging Maffay zum Sprechgesang über:

Meiner Liebste, isch würde dir gerne etwas verraten: Du bist frei, zu tun, was du willst. Wir könnten so glücklisch sein, wenn du es nur zuließest. Jetzt sitzen wir hier beim Candle-Light-Souvlaki. Isch wäre dann bereit für den zärtlischen Teil des Abends. Jetzt liegt es an dir, die Entscheidung zu treffen zwischen unmenschlischen Grenzen und der weißen Tulpe von der Freiheit . . .

„Schweinerfleisch? Retsina? Freiheit?“ Die Mullahs runzelten die Stirnen und entsicherten die Krummschwerter.

Aber Maffay merkte nichts. „Mach mal Schatten!“, befahl er seinem Schlagzeuger, der sich gehorsam zwischen Maffay und die lieblich hereinscheinende Sonne stellte. Dann soulte Maffay noch doller:

Isch tendiere ziemlisch zu Buddha, / denn der Erde ist unserer Mutter. / Aber immer diese Zweifel beim Essen, / die eusch quälen, beschleischen und stressen! / Immer öfte / esst ihr Köfte. / Bleibt doch treu dem Zaziki und findet es töfte! / Wollt ihr noch Nachtisch? / Hey, dann singt bitte mit: / Mahlzeit, Mahlzeit, / nie warst du tiefer in mir. / Mahlzeit, Mahlzeit, / Mahlzeit, wie spüre isch dir.

Das war Peter Maffays Schwanengesang. Kommissar Hunter wartete noch ab, bis die Imbissmullahs den grausigen Zwerg um die Ecke gebracht hatten. Dann nahm er den ganzen Laden hopp.

Fortsetzung morgen

Vorabdruck aus Droste/Henschel: „Der Mullah von Bullerbü“. Edition Nautilus, Hamburg 2000