Die Zukunft des Humors

Statt Telefon- gibt’s Selbstmordzellen, Richard Nixon ist wieder Präsident, und Träume werden durch Werbespots unterbrochen – Amerika ist überall. Ab 21.15 Uhr sendet Pro 7 neue Staffeln der „Simpsons“. Und um 21.45 Uhr dann endlich „Futurama“

von STEFAN KUZMANY

Was für ein beschissenes Leben: Die ganze Welt feiert Silvester 2000. Und er muss arbeiten. Als Pizzabote. Kurz vor Mitternacht kommt noch ein Auftrag herein und Fry macht sich auf den Weg durch das nächtliche New York City. Unterwegs sieht er seine Freundin mit einem anderen abziehen, vor dem Haus des Kunden wird ihm sein Fahrrad geklaut, es stellt sich heraus, dass der Kunde gar keiner war, dass er einem Scherz auf den Leim gegangen war, und so sitzt er nun in einem finsteren Raum, alleine, und öffnet sich eine Bierdose: „Auf ein weiteres beschissenes Jahrtausend!“ 5, 4, 3, 2, 1, 0 . . . – Raketen und Böller, Fry stolpert, fällt in ein mikrowellenartiges Gerät und – bing! – wacht im Jahr 3000 wieder auf.

„Welcome to the world of tomorrow“. Das Jahr 3000. „Wow, eine Million Jahre“, sagt Fry, als er seinen Zeitsprung realisiert hat, denn er ist nicht sehr schlau. Aber so viel weiß er: Besser als in seinem alten Leben soll es ihm hier gehen, und eines wird er in der Zukunft sicher nicht mehr sein: ein Botenjunge.

Dass er es am Ende doch wieder sein wird, nur eben nicht für Pizza, sondern bei der zwielichtigen Weltraum-Speditionsfirma „Planet Express“, ist nicht nur die kleine, erste Ironie der neuen Zeichentrickserie „Futurama“ des „Simpsons“-Erschaffers Matt Groening. Es ist deren Grundlage: Die Zukunft ist bunt und voller technischer Möglichkeiten, aber sonst ändert sich gar nichts. Daran muss sich Fry erst einmal gewöhnen – und ist damit ein getreuer Nachfolger seiner Science-Fiction-Vorgänger Arthur Dent („Per Anhalter durch die Galaxis“) und Marty McFly („Zurück in die Zukunft“).

Wie diese beiden stolpert Fry staunend durch eine Welt ohne U-Bahnen, dafür mit Personen-Rohrpost. Eine Welt, die ihm nach perfekter Analyse seiner genetischen Möglichkeiten per implantierten Chip dauerhaft einen Job aufdrücken will, auf den er schon im vergangenen Leben keinen Bock hatte. Eine Welt, in der man das virtuelle World Wide Web körperlich erleben kann – und sich erst mal vor einer Horde aufdringlicher Verkäufer zweifelhafter Ware retten muss. Klar kann man anno 3000 in die Träume der Menschen eindringen – aber wozu? Um dort einen Werbespot für sexy Unterhosen zu schalten. Klar ist die Polizei in ferner Zukunft mit Lichtschwertern ausgerüstet. Aber auch diese werden dafür eingesetzt, Unschuldige zu verprügeln. Klar gibt es dann menschliche Roboter. Aber die geraten wie der rauchende, saufende, süchtige, hurende, lügende und stehlende Blechkamerad Bender, der Freund und Feind erst mal beschimpft: „Bite my shiny metal ass!“ Waren die „Simpsons“ ein zynisches Abbild von Nordamerikas Gegenwart, so ist „Futurama“ dessen noch bösere Zukunftsperspektive – aller konservativen Schönfärberei zum Trotz. Ihrer notorischen Abneigung gegen republikanische Präsidenten lassen Groening & Co auch in „Futurama“ freien Lauf: Diesmal ist es Richard Nixon, der, sein Kopf hat die Jahrhunderte in einer Art Marmeladenglas überdauert, die Verkörperung des Bösen darstellt, tatsächlich wieder gewählt wird, daraufhin seinen Schädel auf eine riesige Killermaschine montieren lässt und brandschatzend durch die Lande zieht.

Wie schon in den „Simpsons“ tummeln sich auch bei „Futurama“ Prominente im Zeichentrick. Leonard Nimoy (Mister Spock) verbringt seine Zeit in einem „Kopfmuseum“, Pamela Anderson ist hier und auch Claudia Schiffer. Der Talkmaster Conan O’Brian tritt auf seine alten Tage sogar noch auf – ebenso wie die immer noch bösen Rapper Beastie Boys auf die Hilfe von Assistenten angewiesen, die seinen Kopf herumtragen.

Die Zukunft steckt voller technischer Möglichkeiten, aber sonst ändert sich nichts – das gilt nicht nur für das in „Futurama“ gezeichnete Gesellschaftsbild, sondern auch für die Machart der Serie. Zwar kommt „Futurama“ wie die „Simpsons“ als 2-D-Cartoon auf den Bildschirm, doch wesentlich detaillierter gezeichnet und mit dem Einsatz von Computergrafik um 3-D-Effekte bereichert.

Zeichneten sich die „Simpsons“ durch einen kaum überschaubaren Reichtum an Anspielungen aus Literatur, Film und Bildender Kunst aus, beschränkt sich „Futurama“ auf solche aus dem Science-Fiction-Genre. Doch wie die „Simpsons“ kann man sich „Futurama“ auch als ganz einfachen Cartoon ansehen – wer sich allerdings mit der Situations- und Dialogkomik zufrieden gibt, verpasst zahlreiche eingestreute Details.

So sind z. B. immer wieder Wandschmierereien im Hintergrund zu sehen, in einer seltsamen Sprache, in einem außerirdisch anmutenden Alphabet. Im Internet ist zu lesen, was diese bedeuten. Amerikanische Hardcore-Fans haben sich die Mühe gemacht, per Standbild jeden Hinweis auf das Alien-Alphabet zu dokumentieren und dieses, mit Methoden, die sonst zur Entschlüsselung von Hieroglyphen verwendet werden, lesbar gemacht.

Das ist einer der zahlreichen Reize von Groening-Produktionen: Die detektivische Mühe der Fans vorausahnend haben die Macher immer wieder versteckte Spuren gelegt. Und auch dem bröckelnden Urheberrecht in Zeiten von Napster begegnet „Futurama“ souverän.

Ähnlich den in jeder Folge wechselnden Tafelsprüchen am Anfang jeder „Simpsons“-Episode gibt es auch bei „Futurama“ alternierende Anfangseinblendungen: „Soon on illegal DVD“ verkündet eine – und tatsächlich kursieren die ersten vier Staffeln der Serie schon seit Monaten in der Internetgemeinde, wohl stillschweigend geduldet vom US-Fernsehkonzern Fox, der die Rechte an „Futurama“ hält. Gebt den Fans, was die Fans haben wollen – auch das ist Werbung.

Der TV-Montagabend ist für die nächsten 22 Wochen gerettet – 13 davon werden besonders schön, denn in dieser Zeit gibt es neue Folgen der „Simpsons“ und „Futurama“ im Doppelpack. Was für ein schönes Leben.