DIE ERWEITERUNG DER EU KOMMT BEIM TREFFEN IN EVIAN NICHT VORAN
: Wasser auf die Mühlen der Kritiker

Wir erinnern uns dunkel: Vor der Sommerpause sprach der französische Staatspräsident im Deutschen Bundestag zur Zukunft Europas. Kurz zuvor hatte der deutsche Außenminister mit seinen Gedanken über ein „Kerneuropa“ für Diskussionsstoff gesorgt. Man musste annehmen, die Europadebatte habe eine qualitativ neue Stufe erreicht. Vergessen sei das kleinliche Gezänk um Milchquoten und den täglich fallenden Eurowechselkurs. Stattdessen ein grenzüberschreitendes, breites Gespräch über die Frage, wie es mit der Europäischen Union als eigenständigem politischem Gebilde weitergehen soll.

Und nun das Treffen von Evian. Ganze drei Monate bleiben den Franzosen, um mit ihren Partnern eine neue EU-Struktur für die bald größer werdende Gemeinschaft zu schaffen. Und da setzen sich die EU-Außenminister zusammen und sparen die eigentlich drängenden Fragen sorgsam aus. Brüsseler Diplomaten erklären unter der Hand, ein Treffen so unmittelbar nach der Sommerpause sei wertlos, da es nicht wie sonst üblich in anderen Gremien inhaltlich vorbereitet werden könne.

Die ungewöhnlich starken Worte von Erweiterungskommissar Günter Verheugen, er wolle die „Drecksarbeit“ nicht allein machen, die Mitgliedstaaten müssten sich ebenfalls mit den Vorurteilen und berechtigten Ängsten der Menschen vor einer Ausdehnung der Union auf zwanzig oder mehr Mitgliedern auseinander setzen, sprechen für sich.

Wann immer es gilt, anstehende Probleme im Rahmen der Union gemeinschaftlich zu lösen, bietet die Europäische Gemeinschaft ein Schauspiel von Kompetenzgerangel, undurchsichtigen nationalen Machtspielen und Handlungsunfähigkeit. Auch in Evian wurden die Konflikte hinter unverbindlichen Erklärungen versteckt und Verheugens offene Worte wie peinliche Ausrutscher abgetan. Der Stil von Gastgeber Hubert Védrine, der vorab in einer französischen Zeitung die Probleme benannte und dann im Kreis seiner Amtskollegen die offene Debatte vermied, stimmt wenig optimistisch. DANIELA WEINGÄRTNER