Hans’ kurzes Glück

Sonderparteitag der hessischen SPD: Bundespolitische Euphorie und Mehrheit zum Flughafenausbau

KASSEL taz ■ Grauer Anzug, grauer gewordene Haare, Magenfalten um die spitze Nase: Hans Eichel steht am Samstagmorgen unauffällig im Foyer der Kasseler Stadthalle und verspeist das einzig vorhandene kulinarische Angebot, eine trockene Laugenbrezel. So kennen die Nordhessen in seiner Heimatstadt ihren Landesvorsitzenden. Und doch ist „der Hans“ bei diesem Sonderparteitag der hessischen Sozialdemokraten ungewohnt temperamentvoll. Schließlich kann sich der Bundesfinanzminister der Ovationen nicht ganz erwehren. Und da lächelt er schon mal, wenn er, die UMTS-Milliarden in der Tasche, zur Eröffnung der „Hans im Glück“ genannt wird.

Eichel mag sich jedoch nicht lange im Glanz der jüngsten Meinungsumfragen sonnen. Er bleibt am Ende doch der gewohnte Oberlehrer, denn er kennt seine Brüder Grimm, die 30 Jahre lang in Kassel lebten, der Märchenstadt, die er fast sechzehn Jahre lang als Oberbürgermeister regierte. Hans im Glück, belehrt er, habe schließlich sein Gold am Ende gegen gar nichts eingetauscht und sei zufrieden gewesen: „Ich möchte es gern umgekehrt machen.“ Da ist er an diesem Tag lieber einmal der grimmige Eisenhans. Und diese Verwandlung gelingt tatsächlich. Hans Eichel ist zornig, fast wütend und sehr laut. Kaum hat er den Hessen den Rücken gedreht, hat sich das Land in das „der Lügen“ verwandelt, „ein Land, das blühte, ein Land der Toleranz, ein Land der Liberalität“. Das habe er sich „nicht träumen lassen“: „Das tut mir weh!“

Und so gerät der Parteitag, der den 317 SPD-Delegierten eigentlich vor allem die Zustimmung zum Ausbau des Rhein-Main-Flughafens abringen sollte, zuallererst einmal zur Geißelung der derzeitigen CDU/FDP-Landesregierung. Und dann spätestens mit dem Eintreffen von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu einer bundespolitischen Veranstaltung, bei der die SPD sich endlich einmal wieder selbst feiern darf und nichts ausgelassen wird von Renten- und Steuerreform bis zum Kampf gegen den Rechtsradikalismus. Schröder schwört die Delegierten eindringlich auf ein „Ja“ zum Flughafenausbau ein. Und droht: Egal wie die Basis entscheidet, die Bundesregierung als Anteilseignerin habe sich sowieso schon festgelegt. Und so kommt es denn auch, wenn auch als „Ja, aber“. Die Delegierten stimmen für den Ausbau, legen sich aber beim Standort für die neue Landebahn nicht fest und beharren auf einem strikten Nachtflugverbot zwischen 23 und fünf Uhr.

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