Des Bürgers Exzellenz

Joschka Fischer schickt sich an, das Auswärtige Amt zu reformieren – aber wo’s hingehen soll, ist noch nicht so klar

aus Berlin PATRIK SCHWARZ

Wenn der Staatssekretär im Auswärtigen Amt (AA), Wolfgang Ischinger, über sein aktuelles Lieblingsprojekt spricht, wird er ganz undiplomatisch. Positiv und ausführlich sollten sie berichten, legt der Herr Staatssekretär den Journalisten ans Herz. Selten sei ihm nämlich ein Ereignis so wichtig gewesen wie die heute beginnende Botschafterkonferenz. Die Eindringlichkeit ist aus Furcht geboren. Das Diplomatenwesen ist in der Krise – und die dreitägige Berliner Konferenz, so Ischinger, „soll zeigen, dass es richtig und wichtig ist, Botschaften zu haben“. Erstmals seit Bismarcks Zeiten hat dazu das AA alle seine 141 Botschafter, 59 Generalkonsuln und 12 Missionschefs zusammengerufen.

Die Furcht der Diplomaten hat einen Namen: Hans Eichel. 19 Auslandsvertretungen sind seinen Haushaltskürzungen allein im letzten Jahr zum Opfer gefallen. Die Konferenz möge nun dem Sparkommissar die Erkenntnis bescheren, seine Einsparungen „nicht ins Aschgraue fortzusetzen“, lautet eine Regieanweisung im AA.

Joschka Fischer und seiner Führungsetage kommt die Unruhe in der Behörde mit 8.200 Mitarbeitern gar nicht so ungelegen. Zwei Jahre nachdem der Grüne Außenminister wurde, will er eine interne Reform des Massenministeriums anpacken. Da trifft es sich gut, dass das Haushaltsregime des Hans Eichel die Apparatschiks zwingt, ihren Nutzen für die Allgemeinheit zu begründen. Wozu braucht es heute noch Diplomaten?

Der Blick auf den Rotstift fällt im AA so bang aus, weil die früher stets von sich überzeugten Diplomaten inzwischen mit Selbstzweifeln ringen: Ihr Monopol als Kundschafter in fernen Reichen hat unter dem Aufstieg von Fernsehen und Internet gelitten. Gleichzeitig wird immer mehr Ausland zu Inland: Je enger die EU zusammenrückt, desto mehr kooperieren Behörden der Mitgliedsländer direkt miteinander.

Richtig wichtig wird es auf der Konferenz darum erst, wenn Kanzler Schröder, Fischer und sein französischer Kollege Hubert Védrine gesprochen haben. Ab 16.30 Uhr diskutieren die Botschafter dann mit ihrem Minister über „neue Herausforderungen“. „Da geht’s um unsere Karrieren“, sagt ein Beamter.

Auf ihren Empfängen wärmen sich die Diplomaten gern an „der gewachsener Bedeutung Deutschlands in der Welt“. Doch für neue Aufgaben ist der Dienst schlecht gerüstet. Als Fischers Trupp in das Amt einzog, hieß es, man habe einen Betrieb übernommen, „der organisationstechnisch auf dem Stand der 60er-Jahre ist.“ Am deutlichsten erleben das die Frauen, die trotz offizieller Förderung zu kämpfen haben. „Die Hauptklage ist, dass das ein hierarchischer Macho-Laden ist“, sagt ein Fischer-Mitarbeiter. Gerade wenn Topstudenten auf Jobsuche gehen, fällt daher „die Entscheidung immer häufiger gegen den Auswärtigen Dienst aus“, klagt Ischinger. Mit Einzelmaßnahmen ist den Verkrustungen kaum beizukommen, schwant auch den Reformern. „Letztlich geht es um das Bewusstsein der Diplomaten“, seufzt einer.

So groß die Not ist, so vage sind bisher die Reformpläne. Eine Leitidee immerhin ist da – wenn auch eine reichlich skurrile: Ausgerechnet die feinsten Pinkel unter Deutschlands Beamten sollen sich künftig in Bürgernähe üben. „Man muss das den Diplomaten einbleuen – wir sind ein Dienstleistungsunternehmen“, sagt ein Fischer-Vertrauter. Was sich hinter dem Begriff verbergen soll, ist noch etwas rätselhaft. „Dass wir ein freundliches Land sind, ein nettes Land“, sagt ein Mitarbeiter nur halb im Spott, „und dass man in Deutschland vielleicht nicht nur Panzer kaufen sollte.“