Studis sind wieder wer

Bildungsministerin Bulmahn spendiert erstmals seit 20 Jahren wieder eine respektable Bafög-Erhöhung. Jeder Vierte soll gefördert, die Bafög-Schulden der Studis begrenzt werden. Das ersehnte „Bafög für alle“ konnte Bulmahn nicht durchsetzen

von COSIMA SCHMITT

Eine strukturelle Umwälzung war geplant, und jetzt ist nur ein zahmes Reförmchen daraus geworden: Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) stellte am Sonntag ihren Gesetzentwurf zum Bafög vor. Noch im September soll er verabschiedet werden, mehr Geld für mehr Studenten bringen. Aber die Studentenorganisationen jubeln nur verhalten: Die gröbsten Ungerechtigkeiten sind beseitigt – doch das ursprüngliche Modell, allen Studenten wenigstens einen Grundbetrag auszuzahlen, ist vom Tisch.

Wenn die Bafög-Reform wie geplant im kommenden April in Kraft tritt, werden 80.000 Studenten mehr als momentan einen Anspruch auf Förderung haben. Bislang erhielten 364.000 Schüler und Studenten Bafög – das ist gerade mal jeder fünfte. Zum Vergleich: Als das Bafög vor gut 25 Jahren eingeführt wurde, wurde noch fast jeder zweite finanziert. Maximal sollen Studierende künftig 1.105 Mark im Monat bekommen, 75 Mark mehr als bisher. Ost- und westdeutsche Studenten erhalten künftig gleich viel Bafög. Auch soll die Reform den Missstand abdämpfen, dass viele Studenten mit einem Schuldenberg ins Berufsleben starten: Künftig müssen sie maximal 20.000 Mark zurückzahlen – statt bislang 30.000.

Denn Bafög wird nur zur Hälfte als Zuschuss verteilt, die andere Hälfte ist ein zinsfreies Darlehen.

Noch ein Bulmahnsches Novum: Nur die ersten beiden Semester müssen künftig in Deutschland verbracht werden. Danach können die Studenten in jedem EU-Land ihr Studium abschließen, ohne auf Bafög verzichten zu müssen. Deutlich verbessert wird auch die Situation von Studierenden, die Kinder großziehen: Bislang galten nur Kinder bis zu fünf Jahren als Grund, über die Regelstudienzeit hinaus mit Bafög gefördert zu werden. Jetzt werden Kinder bis zu zehn Jahren berücksichtigt.

Um wieder mehr Studenten in die Förderung aufzunehmen, will Bulmahn außerdem die Elternfreibeträge anheben und Kindergeld grundsätzlich nicht mehr zum Einkommen dazurechnen.

Die reformierte Studienförderung wird Bund und Länder 3,1 Milliarden Mark kosten – rund eine Milliarde mehr als bisher.

Dennoch bleibt sie selbst hinter dem zurück, was die Bildungsministerin einst plante: Ursprünglich hatte Bulmahn eine Grundförderung für alle vorgesehen, in der Kindergeld und Elternfreibeträge verrechnet werden. Sie wurde von Bundeskanzler Gerhard Schröder abgeschmettert, der es nicht als reformbedürftig empfand, dass einige Eltern mit dem Kindergeld lieber ihr Eigenheim abbezahlen. Das darf nicht sein, findet Kerry Sailer vom „Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften“: „Erwachsene Menschen sollten nicht bei ihren Eltern um Geld betteln müssen, dass ihnen eigentlich zusteht.“ Außerdem profitierten weiterhin gut verdienende Eltern: Was sie für ihre studierenden Kinder aufwenden, können sie durch Freibeträge ausgleichen – die im Unterschied zum Bafög nicht zurückgezahlt werden müssen. Im Übrigen, so Sabine Kiel von der Bundesarbeitsgemeinschaft Bildung der Grünen, „löst die Reform – anders als ein Grundbetrag, der allen zusteht – ein zentrales Problem nicht: dass 80 Prozent aller Studis jobben und sich so ihr Studium verlängert“. Die Novelle verbessere nur partiell, wo eine strukturelle Reform nötig wäre, sagt auch Pia Meier, PDS-Abgeordnete im Bundestag.

Zumindest formell will sich die Regierung diese Möglichkeit offen halten: Sie wird eine Expertenkommission einsetzten, die über weitere Reformen der Ausbildungsförderung in der nächsten Wahlperiode debattiert.