Am Anfang stand das Politikversagen

■ Bremens Kulturverwaltung ist nur schwer zu reformieren. Beispiele wie KITO und Waldau-Theater deuten zudem auf fachliche Mängel hin. Die Privatisierung der Verwaltung würde viele Probleme lösen, meint der Verwaltungsberater Reinhart Richter

inige Vorkommnisse aus der jüngsten Zeit werfen ein schlechtes Licht auf Bremens Kulturverwaltung. In seinen Haushaltsplänen kalkuliert das in Finanznot geratene KITO seit Jahren mit jährlichen Mieteinahmen von 30.000 Mark für eine Werkstatt, die nicht vermietet ist. Infolge jahrelangen Missmanagements hat das Waldau-Theater einen enormen Schuldenberg angehäuft, ohne dass dies zum Anlass genommen wurde, die weitere Förderung an die Veränderung der internen Strukturen zu knüpfen (die taz berichtete). Wie ist das zu erklären? Darüber sprachen wir mit dem Osnabrücker Kultur- und Kommunalberater Reinhart Richter. Ehe er sich 1987 selbständig gemacht hat, leitete Richter elf Jahre lang das Kulturamt der Stadt Osnabrück. Seither hat er viele Kommunen als Verwaltungsexperte beraten. Die Bremer Controllingfirma kmb berät er zurzeit bei der Einführung des Controllingverfahrens in den Bürgerhäusern.

taz: Herr Richter, können Sie erklären, wie es trotz Kontrollpflicht der Kulturverwaltung über die Haushaltspläne zu Vorfällen wie im KITO oder dem Waldau-Theater kommen kann?

Reinhart Richter: Das liegt daran, dass viele Kultureinrichtungen das betriebswirtschaftlich unverzichtbare Instrumentarium noch nicht ausreichend beherrschen, so dass es oft keine ausreichenden betriebswirtschaftlichen Informationen über die eigene Einrichtung gibt, auf deren Grundlage richtige Entscheidungen getroffen werden können. In der Vergangenheit wurden feste Zuwendungsbudgets für Einrichtungen definiert. Wer mit diesen Budgets nicht hingekommen ist, hatte immer die Chance, über Nachtragshaushalte nochmals Geld bewilligt zu bekommen. Das hat Gewöhnungseffekte hervorgerufen, die den effizienten Umgang mit Geld nicht gefördert haben.

Das erklärt aber nicht, wieso eine Kulturverwaltung über Jahre Mieteinnahmen absegnet, ohne dass es einen Mieter gibt.

In der Tat gehen solche Probleme beide Seiten an. Bei den Kulturverwaltungen gilt das sogar noch im verstärkten Maße. Das Defizit an betriebswirtschaftlicher Analyse ist in den Verwaltungen noch weitaus gravierender als in den meisten Einrichtungen.

Welche Analyseinstrumente fehlen denn?

In der kameralistischen Verwaltung fehlt es an Klarheit darüber, welche Ziele die Verwaltung überhaupt verfolgen will und welchen Stellenwert Kultur in einer Stadt haben soll, es fehlt an Kennzahlen, an der kaufmännischen Buchhaltung, effektiven Controllingmethoden und Systemen, die der Verwaltung aussagekräftige Informationen verschaffen, sie bewertet und die Verwaltung in die Lage versetzt, aus diesen Informationen die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Weil die Verwaltung nicht über Kennzahlen und kaufmännische Buchhaltung verfügt, kann sie nicht mal beim KITO nach dem Mieter fragen oder prüfen, ob das Waldau-Theater professionell gemanagt wird?

In diesem Fall ist das wohl nicht damit zu erklären, dass es am notwendigen Analyseinstrumentarium gefehlt hat.

Gibt es, wie aus der Verwaltung häufig zu hören, rechtliche Hindernisse, die es der Verwaltung erschweren, die internen Vorgänge einer Einrichtung kritisch unter die Lupe zu nehmen?

Nein, die gibt es nicht. Eine Verwaltung, die Zuwendungsgeber ist, kann und muss selbstverständlich nachhaken, wieso es zu solchen Unrichtigkeiten im Wirtschaftsplan kommt. Wenn die bestehenden Zuwendungsverträge sich als Hindernis erweisen sollten, in die internen Abläufe eines Zuwendungsempfängers Einblick zu bekommen, dann ist es Aufgabe der Verwaltung, diese Verträge im Sinne des verantwortlichen Verwendung der Steuergelder zu überarbeiten und zu verändern. Wenn die Verwaltung das versäumt, dann hat sie fachliche Mängel, die sich auch nicht durch neue betriebswirtschaftliche Methoden verändern lassen. Man muss solche Vorgänge aber immer vor dem Hintergrund vergangener Erfahrung und Praxis sehen. Die Kulturverwaltung und die Einrichtungen waren gewöhnt, sich auf Zuwachssituationen einzustellen. Die Budgeteinhaltung war nicht so zentral. Wenn die Einrichtung wichtig war oder eine politische Lobby hatte, dann gab es noch immer den Weg der Nachtragshaushalte. Das war häufig in den Verwaltungen so, nicht nur im Kulturbereich.

Das klingt so, als sei ein Mentalitätswandel bei den Verwaltungsmitarbeitern zentrale Voraussetzung für die Verwaltungsmodernisierung.

Ja, das ist sicherlich so. Ich denke, dass in Bremen – auch im Kulturbereich – zu viel Geld in Gutachten geflossen und zu wenig Geld bereit gestellt worden ist, um die Menschen in den Verwaltungen zu qualifizieren, damit sie in dieser veränderten Situation ihre Aufgaben besser wahrnehmen können. Ich habe das schon bei der Vorbereitung des McKinsey-Gutachtens kritisiert und versucht, die Qualifizierung der Verwaltung stärker in den Vordergrund zu rücken.

Dass es nicht dazu gekommen ist, lag nicht am fehlenden Lernwillen der Verwaltung?

Nein, es lag an der fehlenden Überzeugung der politisch Verantwortlichen, die die Gutachten in Auftrag gegeben haben.

In Bremen wird momentan diskutiert, ob man sich eine Reform der Kulturverwaltung erspart, indem man ihre Aufgaben der privaten Gesellschaft kmb überträgt. Haben Sie in Ihrer beruflichen Praxis als Berater den Eindruck gewonnen, dass öffentliche Verwaltungen so schwierig zu reformieren sind, dass die Privatisierung der einfachere Modernisierungsweg ist?

Ich habe im Gegenteil die Erfahrung gemacht, dass öffentliche Verwaltungen sehr lernfähig sind. Voraussetzung ist allerdings, dass solche Modernisierungsprozesse richtig geplant und durchgeführt werden. Die Bremer Kulturverwaltung ist durch die Fülle von unterschiedlichen Gutachten stark verunsichert worden und trägt zudem eine Hypothek von in Verwaltungen üblichen Einstellungen und Handlungsweisen mit sich herum. Beides erweist sich jetzt als großes Handicap bei der notwendigen schnellen Veränderung des Verwaltungshandelns. Für eine Einrichtung wie die kmb ist es viel leichter, die neuen Aufgaben effizient und effektiv zu erfüllen. Verwaltungen sind nicht prinzipiell veränderungsunwillig. Aber Entwicklungen in der Vergangenheit verbessern oder verschlechtern die Chancen für die interne Reformierbarkeit solcher Strukturen.

Und Ihr Eindruck ist, dass die Bremer Entwicklungsgeschichte so ist, dass die Privatisierungsoption die wenigsten Reibungsverlus-te mit sich bringen würde?

Den Eindruck habe ich, ja. Ich kenne die Bremer Kulturverwaltung seit Jahrzehnten und habe sie immer geschätzt als Verwaltung, die sehr viel an interessanter und vielfältiger Kultur in der Stadt ermöglicht hat. Aber das, was jetzt zusätzlich an Aufgaben auf sie zukommt, ist eine neue Anforderung, nämlich die einer betriebswirtschaftlichen Steuerung der Zuwendungen. Und damit scheint sich die Bremer Verwaltung schwerer als andere Verwaltungen zu tun.

Eine Kulturverwaltung klassischen Zuschnitts kann Ihrer Ansicht nach generell nicht effektiv und kostenbewusst arbeiten?

Sie kann. Aber ohne eine Kostenrechnung kann sie keine gesicherten Aussagen über Kosten, Erlöswirkungen und Defizite machen. Im kameralistischen System, nach dem die klassische Verwaltung arbeitet, ist das Fehlen dieser Kostenrechnung ein zentrales Manko.

Modernisierte Verwaltungen vermeiden also defizitäre Kulturproduktionen?

Sie helfen zumindest, ungewollt defizitäre Produktionen zu vermeiden. Solange es für eine kulturelle Produktion keine klare Budgetvorgaben gibt – und die kann man nur geben, wenn man eine effektive Kostenrechnung macht – kann man keine genaue Zuschussbedarfssteuerung machen. Im kameralistischen System weiß man nicht, wie teuer Kultur wirklich ist. Diese Transparenz versucht jetzt die kmb gegen so viele Widerstände einzuführen.

Trotz Kostenrechnung wird die offene Flanke bleiben, dass man nie kalkulieren kann, wie viele Leute letztlich ein Kulturangebot besuchen wollen.

Das stimmt. Diese Problem minimiert man, wenn man Qualität, Marketing und Servicefreundlichkeit verbessert. Man kann aber nie sicher sein, dass man volle Häuser hat. Aber wenn man zusätzlich nicht einmal weiß, wie sich die Kostenseite entwickelt, dann hat man ein zusätzliches, aber vermeidbares Problem. Das, was man genau steuern kann, muss man auch so genau wie möglich steuern. Es bleibt mit den Ungewissheiten des Publikumszuspruches noch Risiko genug. Fragen: zott