Einer für alle, alle gegen einen

Schulsenator Böger will die 23 Personalräte für Lehrer auf bezirklicher Ebene durch einen einzigen ersetzen. 29 Lehrer sollen 40.000 Kollegen vertreten. Die GEW fürchtet eine Einschränkung des Mitwirkungsrechtes und droht mit Verfassungsklage

Die von Schulsenator Klaus Böger (SPD) geplante Einschränkung bei den Lehrer-Personalräten hat bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dem DGB und der Gewerkschaft der Polizei einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Heute Nachmittag beginnt eine 48-stündige Protestaktion vor dem Landesschulamt in der Beuthstrasse in Mitte. Außerdem droht die GEW mit einer Verfassungsklage.

Böger will nach Angaben seines Sprechers Thomas John die Lehrer-Personalräte reduzieren, „um das Einstellungsverfahren an den Schulen zu beschleunigen“. Die Änderung der Personalvertretung sei Bestandteil des geplanten Haushaltssanierungsgesetzes. Zurzeit gibt es in jedem der 23 Berliner Bezirke einen eigenen Lehrer-Personalrat, von denen jeder bei der Einstellung von Lehrkräften konsultiert werden muss. Dies führt laut John zu ungeheuren Reibungsverlusten. „Das Verfahren muss dringend vereinfacht werden.“ In Zukunft soll es nur noch ein einziger, für alle Bezirke zuständiger Personalrat sein. „Die Mitbestimmungsrechte werden nicht angetastet“, sagte John.

GEW-Landeschef Ulrich Thöne kritisiert, dass dieser eine Personalrat, der aus 29 Mitgliedern bestehen wird, für 40.000 Lehrer und Erzieher zuständig sein wird. In Hessen kämen dagegen auf 43.500 Kollegen 1940 Personalratsvertreter. Dass durch die Reform, wie der Senator behauptet, nur Zustände wie in Hamburg hergestellt würden, sei faktisch falsch. Dort sei ein Personalratsvertreter für 640 Lehrer und Erzieher zuständig. In Berlin soll nach Bögers Plan zukünftig ein frei gestellter Lehrer 1480 Beschäftigte betreuen.

Der stellvertretende Vorsitzende des DGB Berlin-Brandenburg, Bernd Rissmann, bezeichnete Bögers Vorhaben als „ungeheuerliche Provokation“. Es werde in völlig unverantwortlicher Weise in die Mitbestimmungsrechte der Beschäftigten eingegriffen. Der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Uwe Hundt, sprach von einem „Rückschritt ins tiefste Mittelalter“. Schlimm sei, dass der Vorschlag ausgerechnet von den Sozialdemokraten komme, die die Mitbestimmungsrechte für die Arbeitnehmer früher miterkämpft hätten.

Der schulpolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, nannte es ein „Märchen“, dass das Einstellungsverfahren auf diesem Wege erleichtert werde. Senator Böger sollte stattdessen lieber die Mammutbehörde Landesschulamt reformieren. „Das Amt arbeitet unflexibel und zu langsam.“

Die PDS-Abgeordnete Siglinde Schaub pflichtete Mutlu bei. Wenn Böger tatsächlich Bürokratie abbauen wolle, solle er beim Landesschulamt beginnen. Der schulpolitische Sprecher der CDU, Stefan Schlede, stellte sich dagegen auf die Seite des Schulsenators. Seit Aussetzung der bezirklichen Schulräte 1994 hätten die Personalräte ohnehin keine Funktion mehr eingenommen.

INGRID GEGNER
PLUTONIA PLARRE