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: Die Passion eines deutschen Idols

Ziel Sydney – Der Zehnkämpfer Frank Busemann

(23.00 Uhr, ARD)

Vor vier Jahren wurde ein junger Mann aus dem Ruhrpott binnen weniger Stunden zum Idol einer Nation: Frank Busemann heißt er, ein Zehnkämpfer, von dem bei den Olympischen Spielen in Atlanta nichts als ein anständiger Mittelplatz erwartet werden durfte. Dann aber lag der schmale Mann nach dem ersten Tag seiner Disziplin in Führung.

Und so fieberte die Nation mit, das öffentlich-rechtliche Fernsehen machte während des gesamten Abends des zweiten Zehnkampftages olympische Spitzenquote – und Busemann schaffte schließlich die Silbermedaille. Am Ende jenes Jahres wurde der junge Mann noch zum „Sportler des Jahres“ gekürt. Bekam Sponsorenverträge und so weiter und so fort. Seither hat Busemann nicht mehr viel geschafft. Demnächst in Sydney soll er wieder wie Phoenix aus der Asche . . .

Friedrich Bohnenkamp hat den Sieges- und Leidensweg dieses Sportlers während der vergangenen Olympiade begleitet. Hat ihn zu Wort kommen lassen und seine Versuche festgehalten, wieder auf die Beine zu kommen. Aber der Autor hat Frank Busemanns nicht wirklich porträtiert.

Man erfährt nie mehr als das, was ohnehin bekannt ist: dass des Athleten Körper kaum für den Zehnkampf taugt, beispielsweise. Was fehlt, sind Einblicke in sein Umfeld. Wie hält es seine Freundin aus, mit einem Idol liiert zu sein, dessen Leben sich unentwegt um Gesundheit und Fitness dreht? Was erwarten seine Eltern von ihm, was sein Arbeitgeber? Was erwartet Busemann von sich sonst im Leben – außer einmal noch eine olympische Medaille zu gewinnen? Weil diese Aspekte so gar keine Rolle spielten, kommen einem die anderthalb Stunden des Films schließlich etwas länglich vor. Eine vertane Gelegenheit, ein nationales Idol zu dekonstruieren – auf menschliches Maß hin, mit einem Maßstab, der völlig davon absieht, was die Nation von ihm (noch) erwartet. Schade.

JAN FEDDERSEN