Pinochet bleibt sich treu

Der ehemalige chilenische Dikator Chiles zeigt sich am Tag der Nationalen Einheit der Öffentlichkeit und findet keine Worte der Entschuldigung gegenüber seinen Opfern

BUENOS AIRES taz ■ Es war kurz nach 17 Uhr, als sich in dem Villenviertel La Dehsa von Santiago die Türe zur Residenz von Augusto Pinochet öffnete. Heraus traten der ehemalige Diktator, seine Frau Lucía Hiriart und seine Enkelin María José Martínez. Zum ersten Mal nach seiner Rückkehr aus London Anfang des Jahres äußerte sich Pinochet am Montag, dem Tag der Nationalen Einheit, in der Öffentlichkeit. Seine „Botschaft an die Chilenen“ wurde mit Spannung erwartet. Doch wer von Pinochet eine Entschuldigung oder eine Geste des Bedauerns für die während seiner blutigen Diktatur (1973-1990) begangenen Verbrechen erwartet hatte, der wurde auch diesmal wieder enttäuscht.

Ein müder Pinochet stand neben seiner Frau und blickte ins Leere, während seine Enkelin den von Hand geschriebenen Brief vorlas. Pinochet liess mitteilen, er hoffe, „daß unsere Spaltung und unsere Schmerzen von gestern überwunden werden und wir unsere Zukunft in Angriff nehmen, für das Wohl der neuen Generation.“ Weiter schrieb er: „In der Überzeugung, das beste für mein Vaterland gewollt zu haben, bitte ich Gott darum, dass er meinen Landsleuten die nötige Weisheit gibt, die Konflikte von gestern zu überwinden und zu einer Zukunft des Friedens beizutragen und dabei mitzuwirken, dass das mit so viel Anstrengung und so vielen Opfern von allen Chilenen Erreichte nicht riskiert wird, sondern andauert und sich verfestigt.“ Mit diesem Appell an die Einheit der Chilenen will Pinochet einen Schlußstrich unter die Jahre der Diktatur ziehen. Er hofft, damit einen Prozess gegen sich vermeiden. Am 9. Oktober wird er erstmals verhört.

Der sozialistische Senatspräsident Andrés Zaldívar sagte nach der Verlesung von Pinochets Brief: „Es ist eine Botschaft ohne jeden Inhalt.“ Er hätte gehofft, dass Pinochet sich wenigstens entschuldigt hätte. Auch die Menschenrechtsorganisationen sind enttäuscht. „Wir wissen noch immer nicht, wer die Mörder waren und wer die Folterer waren. Die Militärs wissen es und sprechen nicht. Wir haben ein Recht darauf dies zu erfahren“, sagte Viviana Diaz, Präsidentin der Organisation der Angehörigen der Diktaturopfer.

Am 11. September 2000, dem Jahrestages des Militärputsches, wird Pinochet wieder in der Öffentlichkeit auftreten und an einer Messe in der Militärakademie teilnehmen. Schon am Donnerstag plant er, an einer Gedenkstunde der Militärs für fünf Soldaten teilzunehmen, die bei einem Attentatsversuch gegen ihn im Jahr 1986 ums Leben kamen. Mit der Auswahl der Orte und Anlässe, bei denen er sich in der Öffentlichkeit zeigt, sagt Pinochet vielmehr als mit seinen Botschaften. INGO MALCHER