Ein AKW stört den EU-Beitritt

Tschechien weist Kritik an AKW Temelín in Brüssel zurück: Integration in EU darf nicht verhindert werden. Österreichische Parteien planen Schulterschluss gegen AKW. Deutsche Delegation informiert sich in Prag. Sondersitzung bei EU geplant

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Während gestern eine Delegation des deutschen Umweltministeriums und der deutschen Gesellschaft für Reakorsicherheit (GRS) in Prag mit Mitarbeitern der tschechischen Atomaufsichtsbehörde sprach, war der tschechische Umweltminister gar nicht zu Hause. Milos Kuzvart war nach Brüssel gereist, um der EU-Kommission und belgischen Regierungsmitgliedern zu erläutern, wie weit Tschechien seine Umweltstandards und Umweltgesetzgebung den europäischen Maßstäben angeglichen hat.

In einem Bericht über Temelín hatte die GRS festgestellt dass wichtige Sicherheitsventile nicht zuverlässig sind, der Reaktorbehälter bruchanfällig und die Vorsorgemaßnahmen unzureichend. Die Chefin der Atomaufsichtsbehörde Tschechiens, Dana Drabova musste einräumen, dass bei einem Testlauf am Wochenende undichte Stellen im Primärkreislauf entdeckt wurden.

In Wien befasste sich gestern der Nationalrat in einer Sondersitzung mit Temelín. Die Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ plant mit der Opposition aus Sozialdemokraten und Grünen einen „Schulterschluss“ gegen das nur 90 Kilometer von der bayrisch-tschechischen Grenze entfernte Kraftwerk, das Mitte des Monats ans Netz gehen soll. Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatte schon vergangene Woche damit gedroht, Tschechiens EU-Beitritt von einer Nachrüstung des Reaktors abhängig zu machen.

Bei soviel Atommeldungen konnte Umweltminister Kuzvart auch in Brüssel dem Thema Temelín nicht entgehen. Er machte aber klar, dass in Tschechien Atomkraft nicht in die Zuständigkeit des Umweltministers fällt sondern zum Energieministerium gehört. Der tschechische Chefunterhändler für Umweltfragen bei den Beitrittsverhandlungen, Bedrich Moldan sagte: „Der Minister und ich sind in der schwierigen Lage, dass wir ohnehin Gegner der Kernkraft sind. Tschechien aber kann sich bei seinen Atomkraftwerken nur an die Standards halten, die für die EU gelten. Und das sind die Standards der internationalen Atombehörde in Wien.“

Damit legt die tschechische Delegation den Finger auf einen wunden Punkt. „Ich habe den Österreichern gesagt, dass sie erstmal vor ihrer eigenen Tür kehren sollen“, erklärte Bedrich Moldan. Es gebe doch zwischen den EU-Staaten gar keine Einigkeit, was die Standards von Atomkraftwerken angehe. Während Deutschland und Österreich den Beitrittskandidaten am liebsten alle Atomkraftwerke dichtmachen würden, sehe zum Beispiel Frankreich diese Frage völlig entspannt. Ein ähnlich uneinheitliches Bild biete die EU bei vielen Fragen. Kein Wunder, dass auch die Beitrittskandidaten in ähnlichen Zeitdimensionen planen.

Umweltminister Milos Kuzvart glaubt deswegen auch nicht, dass die Proteste gegen Temelín den Integrationsprozess seines Landes in die EU behindern werden. „Sollte die EU einheitliche Standards über die Sicherheit von Kernkraftwerken vorlegen, werden wir sie sofort auf unsere Atommeiler anwenden“, versicherte er in Brüssel. Eine Garantie, die ohne Risiko gegeben werden kann. Trotz Dringlichkeitsdebatte über Temelín am Donnerstag im Europäischen Parlament wird sich die EU in einer politisch so brisanten Frage auf Jahre nicht einigen. Und dann ist Tschechien längst selbst Mitglied der Union.