Atempause für Gesundheitsministerin

Das Defizit der gesetzlichen Krankenversicherungen hat sich leicht verringert. 630-Mark-Beschäftigte füllen die Kassen

BERLIN taz ■ Am Ende des Jahres könnte eine Null die Bilanzen der gesetzlichen Krankenkassen zieren. Das jedenfalls ist die Prognose, die Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Grüne) gestern in Berlin stellte, nachdem sie die Bilanz der Kassen für das erste Halbjahr 2000 vorgestellt hatte. Und die sehen im Vergleich zum Vorjahr nicht allzu übel aus.

Das Defizit der Versicherer ist um ein Viertel gesunken: von 3,27 auf 2,47 Milliarden Mark. Auch die Beitragssätze fielen dementsprechend: von 13,60 auf 13,57 Prozent. In der zweiten Jahreshälfte erwartet die Ministerin einen vollständigen Ausgleich der roten Zahlen, da das Weihnachtsgeld in dieser Zeit die Beiträge wachsen lässt.

Die Ost-Krankenkassen haben dabei von der eine Milliarde Mark starken Finanzspritze aus dem Westen profitiert: Ihr Defizit schrumpft auf 0,34 Milliarden Mark, in Westen liegt es bei 2,12 Milliarden Mark.

Für das moderate Defizit sorgten vor allem die 630-Mark-JobberInnen. Allein die Arbeitgeberbeiträge für diese Jobs haben bereits 1,12 Milliarden Mark in das Kassenloch fließen lassen, für das gesamte Jahr erwartet Fischer Einnahmen von 3 Milliarden Mark.

Das bedeutet andererseits, dass die Sparbemühungen der Kassen bei den Leistungen noch keine erwähnenswerten Früchte tragen: Wenn die Kassen auch bei Krankengeld und Verwaltungskosten leicht sparten, so stiegen doch die Ausgaben für ärztliche Behandlungen und Medikamente munter weiter an. „Es gibt keinen Anlass zu denken, wir bräuchten nun nichts mehr zu tun“, stellte Fischer klar.

Deshalb werkelt das Ministerium weiter an den Überresten der Gesundheitsreform: In den Risikostrukturausgleich, der Transfers von Kassen mit „gesünderen“ Mitgliedern zu Kassen mit riskanteren Fällen regelt, will Fischer mehr Wettbewerb bringen: Bis Mitte September soll der Zwischenbericht eines Gutachtens über mögliche Reformen vorliegen.

Zudem setzt die Ministerin auf Listen sinnvoller und sinnloser Medikamente. Die „Negativliste“ ist bereits fertig, eine „Positivliste“ soll bis Mitte nächsten Jahres folgen.

Die Belastungen aus den Folgen zweier Verfassungsgerichtsurteile wird Fischer bei den Haushaltsberatungen, die nächste Woche beginnen, geltend machen: Die freiwillig versicherten Rentner müssen ebenso entschädigt werden wie Arbeitslose und Kranke, deren Beiträge aus Urlaubs- und Weihnachtsgeld sich nicht in ihren Leistungen niederschlug. HEIDE OESTREICH