Die Callas aus Überhamm

■ Kultur mit hoher Qualität gibt es auch ohne Subventionen. Seit zehn Jahren veranstaltet Kathrin Mosler in einer alten Worpsweder Scheune ein ambioniertes Konzert- und Ausstellungsprogramm

In Worpswede, genauer: in Überhamm, gibt es eine Kulturinitiative, die nicht wenigen Interessierten ein Garant für qualitativ herausragende Veranstaltungen „am Rande“ ist: Dort plant und organisiert Kathrin Mosler zusammen mit Hanna Jacobs in dem 200 Quadratmeter großen Wohnraum einer umgebauten Scheune ungefähr sechs Konzerte pro Jahr. Dazu kommen Lesungen, Ausstellungen, auch Theater. „Callas“, so genannt nach der vielleicht größten Sängerin dieses Jahrhunderts, heißt das kleine, aber hoch ambitionierte Unternehmen, das sich fast ausschließlich der Kunst von Frauen widmet. Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens sprachen wir mit Kathrin Mosler.

taz: Frau Mosler, „Callas“ ist ein Verein. Gibt es eine Satzung?

Kathrin Mosler: Keine inhaltliche. Nur eine ganz normale Vereinssatzung, weil wir das für die Gemeinnützigkeit brauchen.

Wenn man Ihre Programme durchschaut, so gibt es da ein buntes Gewimmel von allem: klassische Musik, Folklore, Jazz, Performance und Ausstellungen. Man könnte sich auch fragen: Wo ist das Konzept? Oder ist das Konzept einfach das, was Sie schön finden, wozu Sie Lust haben?

Genau das ist es. Und es ist nicht denkbar ohne das, was ich vorher getan habe. Ich habe 1977 mit Denny Hirschbach den Verlag „Zeichen+Spuren“ gegründet, in dem Künstlerinnen vorgestellt wurden. Dann habe ich selbst geschrieben. Dann habe ich Klavier studiert. Schon als Kind habe ich kleine Veranstaltungen organisiert. Und dann trägt mich die Beobachtung, dass für die Kunst von Frauen einfach der Raum fehlt – noch immer, und zwar erheblich.

Wie finanzieren Sie Ihre Konzerte?

Ich bekomme keine Zuschüsse. Unser Etat besteht aus den Eintritten und Eigensponsoring. Bei größeren Projekten gelingt mir auch mal ein größeres Sponsoring. Dann schneidet Radio Bremen immer mit, aber das Geld schließt keine großen Lücken. Wir machen im Prinzip alles alleine.

Sie arbeiten hier sozusagen auf dem Dorf. Wie ist der Kontakt zu den Worpswedern und den umliegenden Dörfern?

Die Nachbarn kommen schon mal, im Dorf gehören wir dazu. Aber der Bürgermeister kommt nie. Dennoch gibt es in Worpswede sowie der gesamten Region, die ja bis nach Bremen reicht, ein begeistertes Publikum.

Empfinden Sie es als einen Kampf, den Sie führen müssen? In Bezug auf Finanzierung und Qualitätssicherung?

Nein, denn ich mache ganz einfach die Sachen, von denen ich überzeugt bin. Und ich habe überhaupt keine Konkurrenz. Ich habe heute stark den Eindruck, dass es mir gelungen ist, dass die Leute auf meine Wahl einfach vertrauen – ich merke das ja an den Zuschauerzahlen. Dann kommt dazu, dass wir ein besonderes gesellschaftliches Klima anbieten: Immer gibt es zu trinken und zu essen nach den Konzerten, es entstehen neben dem Geplauder fachliche Gespräche und oft auch unter den zuhörenden Künstlerinnen neue Projekte.

Wie beurteilen Sie die Entwicklung in der Kulturpolitik?

Furchtbar. Einerseits ist es so, dass in allen anderen europäischen Ländern sehr viel weniger subventioniert wird. Andererseits ist es eine Katastrophe – und hier muss man zum hundertsten Mal die acht Millionen Mark für Jekyll & Hyde nennen –, wie kultureller Stil, Geschmack und Vielfältigkeit im Kurs fallen. Das neue KITO-Programm zum Beispiel kann man vergessen – es ist sterbenslangweilig. Und da möchte ich nun doch mit Händen und mit Füßen kämpfen, dass es Alternativen zur großen Szene gibt.

Sie haben 1993 ein großes Festival mit der Musik der im Alter von 24 Jahren verstorbenen Komponistin Lili Boulanger gemacht und spielen nun zum zehnten Jubiläum wieder ihre Musik. Sie haben auch die amerikanische Biographie von Leonie Rosenstil über Lili Boulanger herausgegeben. Was fasziniert Sie so an der Musik der Französin?

In ihrer Kammermusik fasziniert mich ihre Eleganz und ihre verletzliche Schärfe, es gibt in Deutschland nichts Vergleichbares. Das ist betörend – und auch verzweifelt. Und die großen Psalmkompositionen sind überwältigend in ihrer Kühnheit und Kraft.

Was sind Ihre nächsten Pläne?

Ich pausiere ein Jahr mit dem Klavierunterrichten, ich will erst mal keine falschen Töne mehr hören. Im Ernst: Ich plane die dritte Ausstellung der Malerin Sarah Schumann und ich schreibe ein Buch über sie. Ute Schalz-Laurenze

Konzert am Freitag, 8.9., 20 Uhr im „Callas“, Überhammerstr. 41, Worpswede: Lili Boulanger, Liederzyklus „Clairières dans le ciel“ mit Dorothee Mields und Darlèn Bakke; Konzert Gabriele Hasler, Jazzgesang, und Roger Handschell, Sax.: 13.10., 20 Uhr; Vernissage Sarah Schumann: 4.11., 16 Uhr. Kontakt: Tel.: 04792/40 36.