Filmstarts à la carte
: Zottelige Germanen

■ Als Ridley Scott kürzlich seinen „Gladiator“ zum Kämpfen schickte, da waren die Bauten des antiken Rom zum größten Teil nurmehr Illusionen aus dem Computer. In den amerikanischen Monumentalfilmen der frühen 60er-Jahre bekam man hingegen noch echte Handwerksarbeit geboten: Für die Produktionen von Samuel Bronston fuhren die Filmcrews beispielsweise gern - wegen der günstigeren Produktionsbedingungen - nach Spanien und klotzten dort gewaltige römische Foren und Paläste aus Holz und Pappe in den Sand. Wie etwa für das von Anthony Mann inszenierte Epos „Der Untergang des Römischen Reiches“, das neben den unverzichtbaren Schauwerten in Farbe und Superbreitwandformat auch erstaunlich viele Abschweifungen in eher philosophische Bereiche (wenngleich es dann doch nur für Küchen-Philosophie reicht) aufzuweisen hat und von den Kritikern deshalb gern als „intellektueller“ Sandalenfilm bezeichnet wurde. Die Geschichte setzt an gleicher Stelle ein wie in „Gladiator“: Der kranke Kaiser Marcus Aurelius (der kürzlich verstorbene Alec Guinness) hat sich mit seinen Legionen im Stellungskrieg gegen die Germanen festgerannt und setzt auf seine alten Tage lieber auf Frieden als auf Krieg. Seinen unfähigen Sohn Commodus will er in der Nachfolge deshalb übergehen und den Heerführer Livius, dem er die Fortführung seiner auf Ausgleich bedachten Politik zutraut, als Cäsar einsetzen. Doch Marcus Aurelius wird von den Vertrauten Commodus‘ ermordet und Commodus zum Cäsar erhoben. Schon bald geht es im Römischen Reich drunter und drüber ... Seinem Thema entsprechend ist „Der Untergang des Römischen Reiches“ ein ausgesprochen düsterer Film geworden: Tapfer stapfen die Römer in Germanien durch Nebel und Schnee, in der Farbpalette herrschen Grau und Braun vor, und selbst jene Szenen, die offenbar bei schönstem Sonnenschein aufgenommen wurden, tendieren dank Lichtfiltern und starker Verschattung ins Dunkle. Die Actionhöhepunkte (ein spektakuläres Wagenrennen im Wald, mehrere Schlachtszenen, für die der Stuntman und Action-Spezialist Yakima Canutt verantwortlich zeichnet, sowie der abschließende Zweikampf zwischen Livius und Commodus) sind wohl gesetzt, während das Charakterdrama Schauspielkoryphäen wie Guinness und James Mason (als Philosoph Timonides) durchaus einige Glanzpunkte gestattet. Einziger Totalausfall sind die Germanen: furchtbar haarige, zottelige Gesellen, die gerade den Bäumen entstiegen scheinen und sich dank Timonides‘ Beredsamkeit im Handumdrehen zu friedlichen Bauern wandeln, die alberne Volkstänze aufführen. Dafür müssen sie dann aber auch am Pfahl schmoren.

„Der Untergang des Römischen Reiches“, 10.9., Freiluftkino Museumsinsel

■ Eines der ungewöhnlichs-ten Projekte, das Alfred Hitchcock im Laufe seiner Karriere in Angriff nahm, war das in Australien spielende Kostümmelodram „Sklavin des Herzens“ (Under Capricorn) mit Ingrid Bergman als alkoholsüchtiger Lady Henrietta, auf deren Gewissen eine schwere Schuld lastet. Und weil alle Welt 1949 vom Meister des Suspense wieder einen Thriller erwartete, fiel das überaus romantische Werk bei Publikum und Kritik seinerzeit furchtbar durch. Stilistisch orientierte sich der sonst eher auf Montageeffekte bedachte Hitchcock bei „Under Capricorn“ vor allem an seinem Vorgängerprojekt „The Rope“: lange Szenen in einer einzigen Einstellung, fließende Kamerabewegungen, viel Dialog. Inhaltlich lassen sich hingegen viele Themen und Motive aus Hitchcocks typischem (und ziemlich katholischem) Universum ausmachen: zwei Männer, die um die gleiche Frau buhlen, die Erniedrigung der Frau, verborgene Schuld und ihre Sühne. Und sogar eine böse Haushälterin (als Variation von Hitchcocks garstigen Müttern) hat ihren Auftritt.

„Sklavin des Herzens“, 7./10.9,. im Filmmuseum Potsdam

Lars Penning