Der Mullah von Bullerbü

von WIGLAF DROSTE und GERHARD HENSCHEL

Was bisher geschah: Kommissarin Gisela Güzel ermittelt. Die Spur führt nach Bagdad . . .

Im Zero-Sterne-Hotel „Zur abgehackten Hand“ checkte Gisela Güzel ein. „Mein Bagdad, dein Bagdad, Bagdad ist für alle da“, hatte Otto Schily gewitzelt und fies gefeixt: „Sie sind doch sonst so reiselustig . . .“ Und dann hatte er sie in die Wüste geschickt, wo sie den zur Fahndung ausgeschriebenen Wäsche-Fritz aufstöbern sollte.

Ihr Zimmer war nicht unbewohnt. Einige Reptilien und Amphibien hatten es sich im Bett gemütlich gemacht. Auf den Dielen trocknete Blut vor sich hin. In der Minibar hatte die Direktion speziell für den abendländischen Gast wie zum Hohn Mariacron alkoholfrei und eine Flasche Clausthaler deponiert. Auf dem Nachttisch lagen eine Volksausgabe des Korans und die Modezeitschriften Frau ohne Spiegel, Gegen Sie und Brigitte im Kartoffelsack. Gisela Güzel zog einen Flachmann aus dem Strumpfband und prostete ihren Mitbewohnern zu.

Die Tür wurde eingetreten. „Zimmerservice!“ Muntere Imame mit Maschinenpistolen und entsicherten Bärten kamen hereingepoltert, schossen in die Decke, kuckten gefährlich und gingen wieder weg.

„Charmant, charmant“, sagte Gisela Güzel und rauchte eine.

Beim Portier mietete sie sich eine modische Beretta in Graupelgrau und machte einen ersten Schnatgang durch Bagdad. Sie schlenderte durch die Boulevards und Avenuen. Sie waren festlich geschmückt mit umgekehrt Gekreuzigten und schönen Fotos von Saddam Hussein, dem Freund aller Kinder. „Jeder liebt ihn, den klugen Delfin“, trällerte Gisela Güzel.

An der Ecke Budengasse/Straße der Exekutionen lief sie in einen quietschenden Mullahpulk hinein. Hier wurde eine neue Filiale des Textilimperiums Mister Big Shot eröffnet. Frauen hatten keinen Zutritt: „Wir müssen leider draußen bleiben“ stand auf einem Schild, das Kartoffelsäcke zeigte.

Gisela Güzel malte sich verstohlen mit dem Kajalstift einen Schnurrbart an, schlug einen Mullah k. o., schlüpfte in seine Kleider und betrat das Geschäft. Es gab aber nur Bartbinden, Schuhe aus Natodraht, Unterhemden von Heckler & Koch und blickdichte Brillen. Gisela Güzel wunderte sich über den Andrang, bis sie das Hinterzimmer entdeckte. Dort war alles erhältlich, was das Mullahherz begehrte: Reizschleier in allen Farben des Regenbogens, Stöckelpuschen, Wimpel von Wormatia Worms, gepaspelte Schrittschlipse aus Brüsseler Spitze und eingedostes japanisches Geishapipi. Die Mullahs kochten vor Entzücken und sprangen herum wie die Dullhärmchen. An der Stirnseite des Raums saß Mister Big Shot persönlich auf einem gefälschten Pfauenthron und ölte seine Kontakte. Gisela Güzel erkannte ihn sofort. Es war der Wäsche-Fritz.

Die hab ich bei den Eiern, dachte er. Die laufen mir nicht weg. Ich habe alles, was die brauchen. „Nicht so schüchtern, meine Herren!“, rief er. „Wer will noch mal, wer hat noch nicht? Es ist genug für alle da, wir sind hier nicht in Afrika!“ Er nahm einen großen Schluck Ajax Glasrein und pulte in seinem Nabel.

Zwei aus Tadschikistan zugereiste Ayatollahs rauften sich um einen Büstenhalter. „Ruhig Blut, die Herren“, sagte Fritz begütigend und brachte ein identisches BH-Modell zum Vorschein. „Bei mir kommt keiner zu kurz. Voilà!“ Er warf den Büstenhalter in die Meute. „Was Bullrichsalz für Magen-Darm, ist Wäsche-Fritz für den Islarm! Harr, harr, harr!“

Mister Big Shot war gut drauf. Man hätte fast sagen können, dass er glücklich war. Es war ein weiter Weg gewesen von Oberursel bis hierher. Die Muslime rissen ihm die Höschen aus den Händen, und ganz Arabien lag ihm zu Füßen. Endlich war er wieder wer.

Fortsetzung morgen

Vorabdruck aus Droste/Henschel: „Der Mullah von Bullerbü“. Edition Nautilus, Hamburg 2000