Axel Bulthaupt ist Osnabrücker

Die ARD wird das ganze Jahr 50. Zum Geburtstag feiert sie sich heute zur Abwechslung mal selbst – mit ungewollt skurriler Realsatire („Was, wie, schon 50?“, 21 Uhr, ARD)

Alles gratuliert: Die ARD wird 50, und heute bejubelt sie sich selbst – und das ist ganz, ganz kostbar. Denn sie ist immer wichtig, unsere ARD. „Sagen unsere Zuschauer“, säuselt Thomas Reimer. „Sie sagen weniger, wir seien modern und frech oder todesmutig und irrsinnig komisch.“ Und was dann kommt, ist frech und todesmutig und irrsinnig komisch.

„Stars blühten auf und verblühten. Programme wurden wichtig und welkten dahin“, und Reimer ist 64 und Chefreporter und Polit-Poet beim SWR. Was folgt, sind 45 Minuten Realsatire. Die verwelkten Stars krachen auf den Bildschirm: Adalbert, die Zwergmanguste (Grzimek!), das Schweinchen mit der Brille (Lemke!) und natürlich Höfers Frühschoppen und ja kein Wort über dessen nicht ganz so rühmlichen Abgang. „Charaktere, starke Typen“, bellt Reimer dazu aus dem Off, und „unvergesslich“ taucht danach Peter von Zahn aus einem Loch auf, blickt tief in die Kamera und sagt ganz ernst: „Meine Damen und Herren, dieses Loch in schöner Landschaft in North Virginia liegt ungefähr 25 Kilometer vom Weißen Haus entfernt.“ Prompt kommt fetzige Musik und „Stahlnetz“, der Krimi-Schocker, „fetzig wie die Musik“, sagt Reimer, und erst der Tatort, „eine tolle ARD-Idee“. Gefolgt von „Funkstreife Isar 12“, „Raumschiff Orion“, Sekundenschnipseln Kult, soweit das Auge reicht. Dann plötzlich Hajo Friedrichs, wir sind in der Gegenwart, der „Christiansen“-Vorspann läuft – „und jetzt also die Karrierefrau“, quengelt die Stimme aus dem Off.

Überhaupt: Die moderne ARD ist Reimers Sache nicht. Die Eingemeindung des „Ostfernsehens“ findet er noch gut, der „‚Polizeiruf 110‘ blieb erfolgreich im gesamtdeutschen Vaterland“, genau wie Carmen Nebel. Der MDR macht natürlich auch „brisant“, aber, sagt Reimers ohne jede Ironie, das „hat keinen DDR-Bezug mehr, wenn man von der Herkunft der Moderatoren Krüger und Wenner absieht. Axel Bulthaupt ist Osnabrücker.“

Schnitt zum Kleinlaster auf Katzenkopfpflaster: „Diesmal Potsdam. das ist das Schicksal in der ARD – alle wichtigen Leute sind allzumal Reisende von und zu einer Konferenz. Zahlen damit den Preis für ihre Karriere.“ Konferenzort ist der ORB, „junge Bäume, roter Klinker, etwas Fontane“. Früher war eben alles besser, und deshalb erzählt in den zweiten 45 Sendeminuten dann ganz viel ARD-Urgestein von alten Zeiten, und „der Fußball hat längst seine Seele verloren“ (Rudi Michel).

Reimer begibt sich derweil nach München, zum bösen ARD-Programmdirektor Struve, der für all die Verflachung und Quotengeilheit veranwortlich ist und Reimer mit onkelhafter Ironie bescheidet, „natürlich haben wir die deutsche Kulturnation hochleben zu lassen“.

Doch da ist die Sendung in der zweiten Halbzeit schon längst aus dem Leim gegangen, Reimer fängt mit noch mehr „schönen Geschichten“ wieder von vorn an, und wir fragen uns: Kann man eigentlich auch halbe Sendungen für den Grimme-Preis nominieren? STEFFEN GRIMBERG