Offene Rechnung

In Honduras haben die Mayas der Chorti und Lenca im Kampf um ihr Land die Ruinen-Stadt ihrer Ahnen besetzt

SAN SALVADOR taz ■ Die Maya-Völker der Chorti und Lenca haben genug von nicht erfüllten Versprechungen der honduranischen Regierung. 500 von ihnen halten seit Anfang der Woche die Ruinen-Stadt Copan im Westen des Landes besetzt. Die Ausgrabungsstätte ist das wichtigste archäologische Zeugnis der Maya-Kultur in Honduras und wird Jahr für Jahr von rund 500.000 Touristen besucht. 30 Indígenas sind seit über einer Woche vor dem Präsidentenpalast in Tegucigalpa im Hungerstreik.

Am Dienstag sollten 1.500 weitere Chorti und Lenca zu Protesten in die Hauptstadt kommen. Doch ihre Lastwagen wurden auf Befehl von Präsident Carlos Roberto Flores außerhalb der Stadt von der Polizei aufgehalten. Der unmittelbare Anlass für den Unmut der beiden Maya-Völker ist die Entlassung des Sonderstaatsanwalts für ethnische Angelegenheiten, Gilberto Sánchez. Er war vor zwei Wochen geschasst worden, weil er Geld veruntreut haben soll. Die Indígenas vermuten jedoch, Sánchez sei vor die Tür gesetzt worden, weil er sich tatsächlich für die Belange der Chorti und Lenca interessiert habe. Die Forderung nach der Wiedereinstellung des Staatsanwalts wurde schnell durch die Forderung nach Land ergänzt. Die beiden Völker haben da eine alte Rechnung mit der Regierung offen: Bereits 1994 versprach man ihnen in einem Abkommen 14.000 Hektar Land, den Bau von Straßen, Schulen, Krankenhäusern, Produktionskredite und eine zweisprachige Erziehung. Nichts von dem wurde in die Tat umgesetzt.

Der Landkonflikt stammt aus der Zeit des „Fußballkriegs“ von 1969 gegen El Salvador. Vorher hatte sich kaum jemand für die Hungergegend im westlichen Grenzgebiet von Honduras interessiert. Nach dem Krieg aber kamen landwirtschaftliche Militär-Kooperativen und große Viehzüchter. Da die Mayas ihr Land gemeinsam bebauen, besaß niemand einen Titel für sein Ackerland. In der Hauptstadt haben die Indígenas, die zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen, ohnehin keine Lobby. Mehr als 90 Prozent von ihnen leben unterhalb der Armutsgrenze. Bei den Chorti sterben sechs von zehn Kindern, bevor sie das zweite Lebensjahr erreichen. Erst 1994 begannen sie, sich zu wehren. Seither sind mehr als ein Dutzend ihrer Führer ermordet worden. Sánchez war der erste Staatsanwalt, der sich für diese Morde interessierte. TONI KEPPELER