Proteste an der Basis

Die französische Regierung bietet den Fuhrunternehmern eine Steuersenkung an. Doch den Leuten an den Barrikaden ist das zu wenig

aus Paris DOROTHEA HAHN

35 Centime Steuergeschenk pro Liter Dieseltreibstoff hat der französische Verkehrsminister Jean-Claude Gayssot den Fuhrunternehmern gestern morgen angeboten. Ihre Sprecher verließen den Sitzungsraum mit strahlenden Augen. „Darauf kann man sich einigen“, sagten sie.

Doch die Basis auf den über 50 Blockaden vor Frankreichs Raffinerien und Mineralöldepots und auf den Straßensperren vor Flughäfen und Bahnhäfen sagte: non. Die Bosse über die 30-Tonner sowie die Taxi-, Krankenwagen- und Busunternehmer und Bauern, die sich seit Sonntag zu ihnen gesellt haben, wollen mehr. Während manche Bosse weiterhin von den ursprünglich geforderten „50 Centime Steuernachlass“ sprachen, verlangten andere die „völlige Steuerbefreiung“ des Sprits.

Anfang der Woche kostete ein Liter dieses gazole 5,85 Franc. Der Staat verdient an jedem Liter Dieseltreibstoff gegenwärtig 2,25 Franc. Um diese Summe geht es den Bossen. Nach dem Vorbild der Fischer setzten sie dazu auf Blockaden. Die Fischer erreichten in der vergangenen Woche mithilfe weniger Tage Hafenblockaden eine totale Steuerbefreiung für Sprit. Das weckt nun Begehrlichkeiten.

Auch der Steuersparplan von Fabius ermunterte den Kampfgeist der kleinen und mittleren Fuhrunternehmer – die Bosse der großen Betriebe mit über 100 Lkws nehmen an den Proteste nicht teil. Der Sozialdemokrat Fabius hatte in seinem vergangene Woche vorgestellten Paket, das Steuersenkungen von insgesamt 120 Milliarden Franc für die nächsten drei Jahre vorsieht, unter anderem die Kfz-Steuer für Privatwagen gestrichen. Nicht aber die für Lkws. Bis gestern Nachmittag hatten die Bosse, die während ihrer Proteste aus den Führerhäuschen ihrer Lkws heraus per Handy ihre Geschäfte führen und deren Fahrer so lange weiter arbeiten sollen, bis der von ihnen gebunkerte letzte Sprit verbraucht ist, bereits für Benzinknappheit in weiten Teilen Frankreichs gesorgt.

Gestern Nachmittag wollte Verkehrsminister Gayssot erste Verhandlungen mit den Vertretern der protestierenden Taxiunternehmen beginnen. Für heute sind Gespräche des Landwirtschaftsministers mit der konservativen Bauernlobby geplant, deren Traktorfahrer zu den aktivsten Blockierern gehören.

In der ersten Phase ihrer Proteste waren die Bosse in Paris auf großes Verständnis gestoßen. Kaum hatten sie ihre Blockaden aufgebaut, signalisierte der sozialistische Premierminister ihnen am Wochenende bereits Verhandlungsbereitschaft. Wenig später unterbreitete der kommunistische Verkehrsminister den drei Arbeitgeberverbänden sein erstes Angebot: massive Senkungen der Mineralölsteuer für die Arbeitgeber.

Doch gestern, am dritten Tag der Proteste, sickerten erstmals auch kritische Stimmen aus der rot-rosa-grünen Regierung durch. Die grüne Umweltministerin, die in der vergangenen Woche nichts gegen die Abschaffung der Kfz-Steuer gesagt hatte, warnte gestern vor weiteren Zugeständnissen. Ursprünglich hatte sie in der rot-rosa-grünen Regierung eine verkehrspolitische Linie durchgesetzt, die exakt in die gegensätzliche Richtung wies: Die Mineralölsteuer für den besonders umweltschädlichen Dieseltreibstoff sollte jedes Jahr um 7 Centime erhöht werden. Doch diese Entscheidung war bereits vor längerem von dem rot-rosa-grünen Kabinett gekippt worden.