Umsteigen schwer gemacht

Die Ökostromanbieter der taz-Kampagne vorgestellt: Der Berliner Stromanbieter best energy ärgert sich über Schikanen, denen wechselbereite Stromkunden ausgesetzt seien. Das schreckt auch Ökostromkunden ab. Ihr Anteil ist jedoch gering

aus Berlin RICHARD ROTHER

Henning Borchers ist sauer. „Die neuen Stromanbieter werden flächendeckend diskriminiert“, sagt der Geschäftsführer des Energie-Anbieters best energy und trommelt mit den Fingern auf den Tisch. Von einem liberalisierten Markt könne jedenfalls keine Rede sein. Die Stadtwerke würden allen, ob Öko- oder Billigstromanbietern, viele Steine in den Weg legen, um ihren Kunden den Wechsel zu erschweren.

Der Blick aus Borchers’ Fenster offeriert eine typische Fassade im Berliner Arbeiterbezirk Wedding. Hier, in einem ehemaligen AEG-Gebäude, hat die Berliner Energie-Firma best energy ihren Sitz. Bei aller Kritik – in Berlin zumindest existieren die Wechselprobleme für Borchers nicht. Das ist kein Wunder – best energy ist eine 50-prozentige Tochter des Berliner Stromversorgers Bewag. Die andere Hälfte hält Mobilcom. Die Bewag bringt ihre Stromkompetenz ein, um so den Einstieg in den bundesweiten Markt schaffen. Mobilcom steuert das Vertriebs-Know-how für das junge Unternehmen bei, das derzeit 30 Mitarbeiter beschäftigt. Bis Jahresende sollen es 50 sein. Best energy beliefert bundesweit, ähnlich wie Marktführer Yello, wechselbereite Kunden mit Strom – von „öko“ bis „günstig“.

Wenn die kommunalen Stadtwerke es zulassen. „Die haben eine ganze Kiste voller Folterwerkzeuge“ – damit ist Borchers wieder beim Thema –, „sie verlangen hohe Wechsel-, Registrierungs-, Durchleitungs- und Zählergebühren.“ Manche wollten die Original-Kündigungsunterschriften ihrer ehemaligen Kunden sehen, die dann per Einschreiben zugestellt werden müssten. Borchers: „Reine Schikane.“

Die relativ geringe Kundenresonanz führt Borchers auch darauf zurück. Gerade mal 21.000 Kunden hat man derzeit unter Vertrag – ein Bruchteil der Yello-Konkurrenz, die allerdings Unsummen in die Werbung gesteckt hat. Best energy setzt nicht auf Werbung, sondern will zunächst den Vertrieb ausbauen. Durch ein Netz von Ansprechpartnern – Vertragshändler von Mobilcom, die neben dem Handy auch best-energy-Strom verkaufen – wollen die Berliner den Kunden die Unsicherheit beim Wechsel nehmen, eine Vertrauensbasis gegenüber dem als anonym empfundenen Stromanbieter schaffen. Best energy hofft, so bis Jahresende 100.000 Kunden gewinnen zu können.

Schwarze Zahlen erwartet best energy nicht vor dem kommenden Jahr. „Der Markt ist träge“, sagt Borchers. Die Berichterstattung in den Medien rate zum Abwarten, die Kunden hätten Probleme beim Wechseln, zudem hätten sich bereits unseriöse Firmen auf dem Markt getummelt.

Davon lassen sich offenbar auch ökostromwillige Kunden beeindrucken. Ihr Anteil beträgt bei best energy lediglich ein Prozent – also knapp über 200. Die meisten Kunden beziehen preisorientiert einen Normalstrom ohne Herkunftsgarantie. Der setzt sich zum Großteil aus dem Bewag-Strom zusammen, der in den hauptstädtischen Kraft-Wärme-Kopplung-Anlagen erzeugt wird. Der Rest wird auf dem bundesweiten Markt zugekauft.

Auf das best-energy-Angebot für Ökostrom, von der Stiftung Warentest als besonders empfehlenswert eingeschätzt, führt Firmensprecherin Katja Schulze den geringen Anteil an Öko-Kunden jedenfalls nicht zurück. „Der Markt ist ein eindeutig begrenzter Nischenmarkt.“ Wie dies auch bei anderen Öko-Produkten der Fall sei. Ökostrom habe ein Marktpotenzial von bis zu fünf Prozent. „Mehr ist nicht zu holen.“ Dabei ist Ökostrom heute nicht teurer als Normalstrom vor zwei Jahren.

Best energys „ÖkoPur“, zu 100 Prozent aus regenerativen Energien gewonnen, kostet 39,4 Pfennig pro Kilowattstunde. Der Strom stammt aus ostdeutscher Laufwasserkraft (59 Prozent), Windkraft (25 Prozent), Biomasse (15 Prozent) und Photovoltaik. Auf Strom aus umweltschonenden, aber fossile Brennstoffe verfeuernden KWK-Anlagen wird ganz verzichtet.

97 Prozent des ÖkoPur-Stroms werden in Neu-Anlagen erzeugt. Damit fördert best energy – im Gegensatz zu anderen Anbietern, die mit abgeschriebenen Wasserkraftwerken arbeiten – den Einsatz regenerativer Energien. Der Verkauf von regenerativen Energien trägt zur Finanzierung von umweltfreundlichen Neuanlagen bei. Durch deren Betrieb wird Strom aus herkömmlichen Kohle- oder Atomkraftwerken ersetzt; weniger Rohstoffe werden verbraucht, weniger Abgase entstehen.

Dem derzeitigen Übernahme-Gerangel um den ostdeutschen Stromversorger Veag und die Bewag sieht Geschäftsführer Borchers gelassen entgegen. Egal wer die Bewag übernimmt – das Interesse an einer bundesweit operierenden Vertriebstochter bleibe bestehen. Ebenso die Produkte. Bochers werbefachmännisch: „ÖkoPur bleibt in der Spur.“

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