Euro-Rekordtief Nummer 17b

Die Gemeinschaftswährung ist gestern erstmals unter 88 Cents gefallen. Wie immer gibt es die unterschiedlichsten Erklärungen. Doch die spiegeln vor allem Ratlosigkeit wider

BERLIN taz ■ Der Euro ist gestern erstmals unter die 88-Cent-Marke gefallen. Gestern Nachmittag lag er bei 87,75 Cent und damit am tiefsten Punkt seit seiner Einführung. Wie üblich mangelte es nicht an Erklärungen: Diesmal ist Bundeskanzler Schröder schuld, der mit seiner Äußerung, ein schwacher Euro sei eher ein Grund zur Freude, einen „Freibrief“ für weitere Euro-Verkäufe geliefert habe, wie Händler klagten. Alternativ werden der Wahlkampf in den USA verantwortlich gemacht sowie die gesunkenen (!) Arbeitslosenzahlen in Euroland. „Die Interpretation der Arbeitslosenzahlen kann ich auch nicht nachvollziehen“, so ein Volkswirt des Investmenthauses Goldman & Sachs ratlos zur taz. Eine mögliche Erklärung: Die Anleger misstrauen den positiven Wirtschaftsdaten als bloße Folge des Exportbooms, der ja auf den schwachen Euro zurückzuführen ist – ein Teufelskreis.

Ein Ausweg aus dem aktuellen Dilemma ist nicht in Sicht: Die schwache Währung wird die Europäische Zentralbank zu weiteren Zinserhöhungen verleiten, um die importierte Inflation in Grenzen zu halten – denn die Importe aus der Eurozone werden immer teurer und treiben die Preise. Höhere Zinsen drohen jedoch die Konjunktur zu bremsen. Damit könnte die Differenz zu den USA zunehmen und weiter Kapital dorthin locken – was für eine weitere Schwächung des Euro sprechen würde. KK

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