Bitte melden: Armleuchteralge und Schlammpeitzger

■ Bundesamt für Naturschutz mahnt Bremen, Naturschutzgebiete nach den Flora-Fauna-Habitat-Richtlinien nicht zu verheimlichen / Nach Polit-Kompromiss in der großen Koalition gemeldete Gebiete reichen nicht

Die Fische Schlammpeitzger und Steinbeißer hauchen dem politischen Dauerbrenner-Thema „europäische Naturschutzrichtlinie (FFH)“, wieder Leben ein. Das Bundesamt für Naturschutz nämlich bewertet deren Vorkommen im Hollerland und Blockland beispielsweise als von „hoher überregionaler Bedeutung“. Von beiden Gebieten aber sei zu wenig Fläche gemeldet, kritisiert es die Bremer Meldepraxis von schützenswerten Gebieten nach Brüssel in einem Schreiben an die Bremer Umweltbehörde. Das Ziel der FFH-Meldungen ist es, bedrohten und seltenen Arten und Lebensräumen in einem europaweiten Netz den Fortbestand zu sichern. Das scheint durch die Bremer Meldungen nicht vollständig gegeben. Als „Meldedefizit“ benennt das Bundesamt, das gegenüber der EU als deutscher Mittler auftritt, unter anderem auch, dass das Weddewardener Deichvorland nicht auf der Liste der schützenswerten FFH-Gebiete steht. Dies sei „unverzichtbar“.

Die Grüne Bürgerschaftsabgeordnete Karin Matthes sieht damit jetzt ihre Position fachlich „zum x-ten Mal bestätigt“ und spricht von einer „rechtswidrigen Nichtmeldung potenzieller FFH-Gebiete“. Der umweltpoltische Sprecher der SPD, Joachim Schuster mahnt: „Bremen sollte sich meldekonform verhalten.“ Die CDU dagegen hält sich zurück. Deren umweltpolitische Sprecherin Viola Mull weist darauf hin, dass erst im Sommer ein politischer Kompromiss innerhalb der Großen Koalition zustande kam, woraufhin kleine Teile der bremischen Naturschutzgebiete in Brüssel angemeldet wurden. Nicht genug, wie es jetzt scheint. Die alten Fronten werden wieder sichtbar.

Die Behörden halten sich unterdessen noch zurück. „Das muss alles geprüft und bewertet weden“, heißt es bei Umwelt. Bei Wirtschaft und Häfen – dessen Ausbaupläne für das Containerterminal 4 vor Weddewarden betroffen sein könnten – heißt es: „Wir können uns zu einem Brief nicht äußern, der uns nicht vorliegt.“ Da das Schreiben aber nicht vom Bundes-Umweltminister komme, verhalte man sich „erst mal abwartend“; nach wie vor gelte der Senatsbeschluss zur Meldung der FFH-Gebiete. Nur der Bund für Umwelt und Naturschutz, BUND, und die Bürgerinitiative für die Erhaltung des Hollerlandes sind zufrieden. Wie die Grünen hatten sie die „unzulängliche Meldepolitik Bremens schon lange kritisiert. Der BUND forderte den Bürgermeister nun in einem offenen Brief auf, für eine vollständige Meldung der wertvollen Bremer Naturfflächen zu sorgen. Gerold Janssen von der Hollerland BI mahnt: „Noch ist Zeit, weiter zu denken in Richtung –Bremen als Stadt am Fluss und zwischen den Deichen'." In anderen Städten seien Zerstörungsprozesse schon unumkehrbar geworden. „Bleibt zu hoffen, dass dies noch rechtzeitig erkannt wird, bevor die EU unser Land wegen Verstöße gegen die FFH-Bestimmungen durch Strafgelder auf die Hörner nimmt.“

Geprüft und in einem „vorläufigen landesspezifischen Defizitbericht“ aufgelistet hat das Bundesamt nicht nur schützenswerte Lebewesen wie den mittlerweile berühmten Schlammpeitzger. Eserwähnt auch besondere Lebensräume, die von Bremen nicht gemeldet wurden, darunter der vegetationsfreie Weddewardener Außendeich, die Salzstelle Pannlake im Hollerland, der Dunger See mit seltenen Armleuchteralgen (kein Witz!), die untere Wümme, Weser und Lesum mit ihren Schlammbewohnern sowie der Auenwald in Arsten-Habenhausen.

Umfangreicher ist nur die Liste der nicht gemeldeten Arten. Sie umfasst unter anderem den Kammmolch in der Blumenthaler Geest, den besonders schützenswerten Holzkäfer sowie die Libellenart Große Moosjungfer und die Fische Finte und Bitterling. Überhaupt gelte für Fische, dass deren Lebensräume Blockland und Hollerland nur bruchstückhaft gemeldet sind, so die Ermahnung der amtlichen Bonner Naturschützer. Um deren Überleben wirklich zu sichern, müssten aber ganze Gewässerabschnitte gemeldet werden. ede