Wässrige Richtlinie für Europa

Wasser-Rahmenrichtlinie der EU wird auf kleinstem gemeinsamem Nenner beschlossen: Die Wasserqualität soll sich nicht weiter verschlechtern. Umweltschützer sind unzufrieden. Schutz von Grundwasser wird gesondert beschlossen

Aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Bedenkt man die leidenschaftlichen Debatten, die im Plenum des Europäischen Parlaments jahrelang über den Gewässerschutz geführt wurden, endete das letzte Kapitel gestern in Straßburg ganz unspektakulär. „Das Ergebnis des Vermittlungsausschusses wurde mit großer Mehrheit angenommen“, wird später im Protokoll stehen.

Die Europäische Union hat nun eine einheitliche Wasser-Rahmenrichtlinie, die von den Mitgliedsstaaten in nationale Gesetze übertragen werden muss. Sie sieht vor, dass Oberflächengewässer wie Flüsse und Seen ebenso wie Grundwasser und Küstengewässer geschützt werden sollen. Die Wasserqualität in Europa soll sich nicht weiter verschlechtern. Nachhaltige Nutzung und Schutz der Ökosysteme haben Vorrang. Eingeleitete Stoffe sollen geprüft und in einer Liste zusammengefasst werden. Spätestens zwanzig Jahre nach der Veröffentlichung sollen die Emissionen auslaufen.

Die Meinungen darüber, ob es sich um ein wirksames Instrument zur Verbesserung der Wasserqualität oder eine zahnlose Erklärung guten Willens handelt, gehen weit auseinander. Zu den Pessimisten zählt Klaus Lanz von Greenpeace. Nach seiner Einschätzung fällt die Richtlinie hinter geltendes Recht zurück. Schließlich hätten sich im Meeresschutzabkommen von 1998 ein Dutzend der 15 Mitgliedsstaaten gemeinsam mit der Kommission darauf festgelegt, die Einleitung gefährlicher Stoffe in die Meeresumwelt bis zum 31. 12. 2020 auf null zu reduzieren. Wie solle dieses Abkommen wirksam werden, wenn für die einleitenden Flüsse und andere Oberflächengewässer weniger strenge Grenzwerte vorgeschrieben seien und der Zeitrahmen noch dazu viel weiter gefasst?

„Meine Arbeit der letzten zwei Jahre war umsonst“, fasst Lanz seine Bewertung zusammen. Diese erste große Umweltrichtlinie, bei der das Parlament nach dem neuen Amsterdamer Vertrag mit zu entscheiden hatte, sei in sich widersprüchlich, schwammig formuliert und öffne den Mitgliedsstaaten zahlreiche Schlupflöcher. Tatsächlich spiegelt die Richtlinie wider, wie unterschiedlich das Thema Gewässerschutz diskutiert wird. Zwischen dem wasserreichen Großbritannien und dem dürregeplagten Spanien zum Beispiel gibt es keine gemeinsame Gesprächsgrundlage – zu unterschiedlich sind die ökologischen und wirtschaftlichen Interessen.

Die Mehrheit der Europaabgeordneten hält deshalb das jetzige Ergebnis für das bestmögliche. Was wäre schließlich damit gewonnen, so ein Mitarbeiter der zuständigen Berichterstatterin, der französischen Sozialistin Marie-Noelle Lienemann, wenn das Parlament die Ratsposition weiter verschärft hätte? Dann würde die Richtlinie eben nicht umgesetzt. Es gebe im Umweltschutz Beispiele genug, wo das Parlament ökologisch lupenreine Regelungen durchgesetzt habe, die über Jahre hinweg ignoriert worden seien.

Nach Ansicht der CSU-Abgeordneten Ursula Schleicher seien nun rechtsverbindliche Formulierungen beschlossen, die notfalls vor dem Europäischen Gerichtshof eingeklagt werden könnten. Zu begrüßen sei auch, dass das Parlament über den Grundwasserschutz noch einmal gesondert entscheiden wolle. „Da die meisten Mitgliedsstaaten gar nicht über die Qualität des eigenen Grundwassers Bescheid wissen, ist eine gute Lösung in zwei Jahren besser“, betonte die Politikerin.Tatsächlich hängt nun alles davon ab, wie schnell die Mitgliedsstaaten die Rahmenrichtlinie umsetzen. Denn bis Vertragsverletzungsverfahren vor den Europäischen Gerichtshof gelangen und dort eine Entscheidung fällt, können weitere Jahre vergehen.