Die Patrons sind sich nicht einig

Die Großen der Fuhrunternehmenbranche beteiligen sich nicht an den Blockaden. Die Gewerkschaften fordern ihre Mitglieder auf, dem Protest ihrer Bosse fern zu bleiben

PARIS taz ■ Frankreichs Bosse haben gestern einen großen Teil des Landes lahm legen lassen. Taxifahrer veranstalteten Schleichdemonstrationen rund um die großen Städte. Fuhrunternehmer versperrten Raffinerien und Flughäfen. Fahrschulbetreiber und Krankenwagenunternehmer stellten sich auf Landstraßen quer. Bauern verbrannten Autoreifen auf Eisenbahnstrecken. Und Traktorfahrer versuchten, die Eingänge zum Tunnel unter dem Ärmelkanal zu versperren.

„Wenn wir das täten, hätte es längst Verhaftungen gegeben“, stellen französische Gewerkschafter fest, die die Arbeitgeberproteste von ihren Wohnzimmern aus am Bildschirm verfolgen. Die gewerkschaftlichen Vertreter in den betroffenen Branchen fordern ihre Mitglieder auf, den Protesten ihrer Patrons fernzubleiben. „Wenn die Geld vom Staat bekommen, geben die uns erfahrungsgemäß keinen einzigen Centime davon weiter“, so die Position von CFDT, FO und CGT in seltener Eintracht.

Freilich sind sich auch die Patrons nicht einig. Es sind die kleinen und mittleren Fuhrunternehmer mit maximal ein paar Dutzend Lkws. Jene, die ahnen, dass sie im gegenwärtigen Konkurrenzkampf auf der Straße kaum eine Überlebenschance haben.

Tatsächlich diktieren die großen Einzelhandelsketten auf der einen und die wirklich großen Fuhrunternehmen auf der anderen Seite längst die Bedingungen. „Freiheit“ haben die kleinen und mittleren Unternehmer nur noch gegenüber ihren Fahrern, denen sie im letzten Jahr – in dem die Branche einen Zuwachs des Güterverkehrs auf der Straße von über 6 Prozent erlebte – keine Lohnerhöhung gewährten und denen viele von ihnen seit langem jede Überstundenzahlung verweigern.

Die wirklich großen Fuhrunternehmen, die über ein Drittel des Gesamtumsatzes der Branche erwirtschaften, beteiligen sich nicht an den Blockaden. Die Regel der kleinen und mittleren Betriebe, die ums Überleben kämpfen und neben niedrigeren Spritkosten auch niedrigere Sozialabgaben verlangen, gilt auch für die anderen an den Protesten beteiligten Berufsgruppen.

In Frankreich war gestern kein Durchkommen mehr. Abgesehen davon, dass der Spritnachschub an den Tankstellen so gut wie versiegt war. In weiten Bereichen der Wirtschaft zeigt sich längst die enorme Abhängigkeit vom Straßentransport: Das Essen in zahlreichen Betriebskantinen, Schulbustransporte und Krankenbesuche fielen den Arbeitgeberprotesten bereits zum Opfer. DOROTHEA HAHN