Jetzt Sie noch, Herr Koch!

Franz Josef Jung, Leiter der hessischen Staatskanzlei und Intimus von Ministerpräsident Roland Koch, tritt zurück. Anlass: Briefe von 1992, in denen es um Unterschlagungen in der CDU-Fraktion geht

BERLIN taz ■ „Der Franz Josef Jung ist ein anständiger Kerl“, erklärte gestern Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU). Da war der Leiter seiner Staatskanzlei gerade zurückgetreten. Nachdem die CDU-Spendenaffäre, Abteilung Hessen, über Wochen immer verworrener wurde, besteht seit gestern in einem Punkt Klarheit: Der politisch schwer bedrängte Ministerpräsident hat in Jung seinen engsten politischen Vertrauten verloren.

In einer überraschend einberufenen Pressekonferenz wies Jung gestern alle Vorwürfe gegen seine Person zurück. Seinen Rücktritt begründete er mit der fehlenden Unterstützung durch den Koalitionspartner FDP sowie dem Wunsch, sich nach Niederlegung seiner Ämter seiner Verteidigung zu widmen. Jung sagte, er befürchte Verleumdungen wegen zweier Briefe des einstigen CDU-Finanzberaters Horst Weyrauch aus dem Jahr 1992, die sich in den Unterlagen der Staatsanwaltschaft fanden. Darin soll es widersprüchliche Darstellungen einer Unterschlagung in der CDU-Fraktion geben.

Der Ministerpräsident stärkte dem Zurückgetretenen den Rücken: Für seinen Schritt gebe es keinen sachlichen Grund. Koch kündigte an, im Amt bleiben zu wollen, solange er das Vertrauen von CDU und FDP habe. Entsprechend pfleglich ging er mit den hessischen Liberalen um. Die FDP sei ein fairer Partner. Die Opposition im Landtag forderte erneut Kochs Rücktritt. Der grüne Fraktionsvorsitzende Tarek Al-Wazir sagte: „Es gibt nichts, was Franz Josef Jung wusste, das Roland Koch nicht auch wusste.“ Das Überleben der hessischen Koalition hängt jetzt an der FDP. Deren Landesvorsitzende Ruth Wagner versprach Jung gestern eine kollegiale Zusammenarbeit. Dieser will stellvertretender CDU-Landeschef bleiben. Nach Jungs Rücktritt beeilte sich CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz, Roland Koch den Rücken zu stärken. Die Hessen-CDU habe alles zur Aufklärung der Vorwürfe gegen sie beigetragen.

PATRIK SCHWARZ

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