Die nähere Zukunft des Sportdopings

Nach den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne begann das grenzenlose Wettrüsten zu Gold zunächst mit anabolen Steroiden. Die DDR, aber auch andere Ostblockstaaten powern in den Siebziger- und Achtzigerjahren vor allem Sportlerinnen gezielt in die Weltspitze, oft ohne deren Wissen und schon im Jugendlichenalter.

Gravierende Gesundheitsgefahren (Vermännlichung, Leberschäden, Infarkte, Erbgutschädigungen) werden ignoriert. Vergleichsweise harmlos, aber einfallsreich war die Leistungsmanipulation westdeutscher Schwimmer 1976: Sie pusteten sich Luft in den Darm, um mit höherem Auftrieb schneller zu werden.

Anabolika sind immer noch gebräuchlich. Gern wird die Einnahme der Kraftmacher mit dem notwendigen schnellen Muskelaufbau nach Verletzungen und Trainingsrückstand begründet. In den ersten acht Monaten dieses Jahres beschlagnahmte der australische Zoll 1.125-mal Dopingmittel, meist anabole Steroide.

Das klingt viel. Sydney – Dopers Festival? Die Funde entsprachen einer Zunahme um sechzehn Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.Allerdings wurden die Kontrollen, so das australische Justizministerium, um das Vierzigfache erhöht.

Die Karriere des Blutdopings begann nicht erst mit Erythropoietin (Epo) und seinem aktuellen Nachfolger Oxyglobin (Markenname: Hemopure). Sondern schon in München 1972: Der Athlet ließ gut einen Liter Blut, man filterte die roten Blutkörperchen heraus und steckte sie, mit ein paar Elektrolyten versehen, in die Kühlbox. Der Athlet trainierte weiter und hatte den Blutverlust nach rund zehn Tagen wieder aufgeholt.

Kurz vor dem Wettkampf wurde ihm das eigene Kühlschrankkonzentrat rückinfundiert. Der erhöhte Sauerstoffwert brachte eine Leistungssteigerung von fünf bis sechs Prozent.Eigenblutdoping ist heute noch verbreitet, verfeinert allerdings durch Ozonaufbereitung und maskierende Substanzen, um die Manipulation zu verschleiern.

Aktuelle Hinweise, Gerüchte und Mutmaßungen umfassen ein Spektrum von mehreren Dutzend biochemischer Schneller- und Stärkermacher: Nitroglyzerinpräparate aus derInfarkttherapie etwa verbessern die Sauerstoffzufuhr. Cortisonpräparate sind nicht nur hilfreich gegen Radlers Sitzbeschwerden und Hustenneigung sondern stärken auch die Psyche.

Wachstumshormone wie HGH („Human Growth Hormone“) sollen erst in der Kombination mit Schilddrüsenhormonen wie Insulin oder Thyroxin die richtige Power entfachen. Sie werden aus der Hirnanhangdrüse von Toten gewonnen; die Angst vor einer HIV-, Creutzfeldt-Jakob- oder Hepatitisinfektionen schreckt offenbar nicht.

Künstliche Genveränderung zum geklonten und disziplinspezifisch perfekt gezüchteten Athleten sind die Horrorvision der Zukunft. Doch schon heute arbeiten Erbgutfummler an kleineren, feineren Methoden: Einzelmuskeln verstärken, natürliche Stopperfunktionen ausschalten (siehe Interview) oder die gezielte wettkampfoptimale Blutproduktion über Gensteuerung.

US-Forscher haben bereits ein Schnupfenvirus ins Erbgut von Mäusen geschmuggelt und so die Blutproduktion erhöht. Der Manipulationsnachweis beim Menschen scheint nach heutigem Kenntnisstand praktisch ausgeschlossen. „Um einen eindeutigen Beweis antreten zu können“, sagt der dänische Antidopingfahnder Bengt Saltin, „müsste man die Genfähre, also den Virus, finden. Dazu muss der Analytiker aber genau wissen, in welchen Körperteil injiziert wurde. Man sucht gewissermaßen die Nadel im Heuhaufen.MÜLL