Szenen aus dem Bürgerkrieg

„Vor Ort“ in Königs Wusterhausen: Das ORB-Fernsehen ließ die Kontrahenten aufeinander prallen

Man kennt solche Sendungen ja. Seit Jahren schon fahren nicht nur die Regionalprogramme der ARD, sondern auch die Privatsender mit dem Ü-Wagen über Land und fangen Volkes Stimme ein. Hier gibt es Streit um eine Umgehungsstraße, dort erregt eine Müllverbrennungsanlage die Gemüter – und überall erhitzen sich die Emotionen empörter Bürger, als ginge es um Leben und Tod.

Am Donnerstagabend war alles anders, denn diesmal war es wirklich ernst. Das ORB-Fernsehen hatte sich mit der Sendung „Vor Ort“ nach Königs Wusterhausen begeben – und lieferte in die Wohnzimmer eine Liveübertragung aus dem brandenburgischen Bürgerkrieg. Alle Kontrahenten waren unter dem Dach eines Festzeltes versammelt. Sogar den örtlichen Skinheads bot der Sender – wie es so schön heißt – ein Forum, das diese aber gar nicht nutzen wollten. Streckte ihnen einer der Moderatoren das Mikrofon entgegen, wandten sie sich ab. Zu vernehmen waren undeutliche Sätze, von denen nur Wortfetzen wie „Ausländer raus“ zu verstehen waren.

Die biederen Bürger hingegen applaudierten immer dann besonders heftig, wenn irgendjemand sagte, in „KW“ sei die Lage eigentlich auch nicht schlimmer als anderswo – eine Verharmlosungsstrategie, die die ORB-Journalisten gleich zu Beginn konterkarierten, indem sie fünf Hochburgen rechtsradikaler Gewalt im Land beim Namen nannten, darunter eben auch Königs Wusterhausen.

Keineswegs einig waren sich aber auch all jene, die sich ein „tolerantes Brandenburg“ auf die Fahnen geschrieben hatten. Die Eltern eines Schülers, der wegen seines ausländischen Namens misshandelt wurde, kritisierten die Untätigkeit der Lehrer – was die Pädagogen wiederum nicht auf sich sitzen lassen wollten. Und eine Gruppe von Schülern aus Fürstenwalde, die sich gegen rechte Gewalt engagieren, attackierte den ergrauten Vertreter der Initiative „Tolerantes Brandenburg“: Er rede nur, während sie handelten – ohne dabei ausreichend unterstützt zu werden.

Auch das Fußballspiel, zu dem rechte und linke Jugendliche aus der Stadt vor der Sendung gegeneinander angetreten waren, brachte die Verhältnisse in der Stadt recht gut zum Ausdruck – und machte nicht wirklich Mut: Die Rechten besiegten die Linken mit 9:0, was der Schiedsrichter auf die bessere Ausrüstung der kahlköpfigen Mannschaft zurückführte. Immerhin versicherte er, die Spieler hätten sich vor wie nach dem Spiel die Hand gegeben.

Unterdessen gab es am Rand des Zeltes heftigen Tumult, die Kamera zeigte Polizisten, die mehrere Skinheads zum Mannschaftswagen führten. Was denn da los gewesen sei, wollte der Moderator von einem der Polizisten wissen. Einige Bürger hätten vom demokratischen Recht der freien Meinungsäußerung ungebührlichen Gebrauch gemacht, gab der Beamte zur Erläuterung zurück. Nach dem Ende der Sendung würden sie wieder auf freien Fuß gesetzt. Eine Rechtsgrundlage für den Einsatz nannte er nicht. Offenbar wollten die Ordnungshüter demonstrieren, dass sie neuerdings zum Durchgreifen bereit sind.

RALPH BOLLMANN

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