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Kürzer ist oft besser

Teilzeitarbeit ist vor allem bei Führungskräften verpönt und selten. Doch wer zwischendurch kürzer tritt, ist oft zielstrebiger und konzentrierter. „Sabbaticals“ beugen dem Burn-out-Effekt vor

von MARTIN KALUZA

Genau so stellt man sich's doch vor, das Leben in der Führungsetage: Wenn um acht Uhr morgens die Kaffeemachine röchelt und sich die freundlichen Kollegen schlaftrunken an die Arbeit machen, erwartet den High Potential schon ein frisch gedeckter Schreibtisch mit verantwortungsvollen Aufgaben. Die Zeit vergeht im Fluge: Meetings, Briefings, Entscheidungen und Präsentationen, und während sich draußen schließlich die sternenklare Nacht breit macht, fällt der Blick wie zufällig auf das Bilderrähmchen am Arbeitsplatz. Wer war das noch mal? Ach so, die Familie.

Je besser der Job ist – je besser die Bezahlung vor allem –, desto selbstverständlicher setzen Arbeitgeber voraus, dass ihre Mitarbeiter begeistert den Feierabend vergessen. Karrieren, so eine verbreitete Weisheit, werden nach 17 Uhr gemacht. Teilzeitarbeit kommt in diesen Sphären so gut wie nicht vor. „Teilzeitarbeit“, so bringt es der Berliner Arbeitszeitberater Lars Herrmann auf den Punkt, „machen vor allem die, die es sich nicht leisten können.“

Vielleicht in einem Prozent der Führungspositionen wird Teilzeit gearbeitet. Das schätzt betont vorsichtig Klemens Kleiminger, Autor der Studie „Arbeitszeit und Arbeitsverhalten“, die in den nächsten Wochen im Gabler Verlag erscheint. Und wie bei Fabrik- oder Friseurjobs auch, ist die Teilzeit zu 90 Prozent Frauensache. „Meistens geht es um eine kompetente Frau, die man nach einer Kinderphase weiter halten will“, so Kleiminger, der an der Bundeswehruni Hamburg am Lehrstuhl für Personalwesen geforscht hat. Dass eine Stelle schon als Teilzeit ausgeschrieben werde, komme überhaupt nicht vor.

Und damit keine Missverständnisse aufkommen: Im Führungsbereich bedeutet Teilzeit in der Regel 80-Prozent-Stellen und damit nicht selten immer noch eine 45-Stunden-Woche. Während sich bei tariflich Beschäftigten die Wochenarbeitszeit in den letzten Jahrzehnten verkürzt hat, müssen die Abteilungsleiter und Chefs immer länger ran. Kleiminger spricht von einer „Scherenbewegung“. Und während die Tariflichen mit ihrer Stundenzahl in der Regel ganz zufrieden sind, hat er festgestellt, dass Führungskräfte gern weniger arbeiten würden.

Allein, so einfach lässt sich das nicht machen. Gerade wenn in Teams gearbeitet wird, kann nicht ein Mitarbeiter den Laptop zwei Stunden vor den anderen zuklappen, um auf der Terrasse im Kreise seiner Lieben gemütlich ein Dosenbier zu zischen. Außerdem hat die Teilzeit nicht den besten Ruf: Frauensache, heißt es. Halbe Angelegenheit. Karriereknick.

Doch deshalb auf mehr Freizeit verzichten? Der Trend geht dahin, die Teilzeit „unsichtbar zu machen“. Das klingt erklärungsbedürftig.

Hinter dieser „versteckten Teilzeit“ steht die Idee, dass Mitarbeiter zwar wie gehabt bis in die Puppen arbeiten, aber dafür nicht das volle Gehalt bekommen – zum Beispiel mal 90 Prozent. Die so auf dem Papier zu viel gearbeiteten 10 Prozent gehen auf ein „Arbeitszeitkonto“ und können später als bezahlter Urlaub genommen werden, zum Beispiel als dreimonatiger „Sabbatical“. „Versteckt“ ist diese Teilzeit, weil die Kollegen gar nicht merken, wie viel Freizeit man eigentlich hat – schließlich sitzt man genauso lange am Tisch wie sie.

Ob solche Regelungen möglich sind, hängt vor allem vom guten Willen des Unternehmens ab. Kleiminger nennt als positives Beispiel BMW, wo Sabbaticals bis zur Hauptabteilungsleiterebene möglich seien. Zwar muss das jeweilige Unternehmen für die drei Monate, die jemand fehlt, einen Ersatz organisieren. Doch habe sich die Auszeit inzwischen als wirksames Mittel gegen Burn-out-Erscheinungen bewährt und nütze somit auch der Firma selbst.

Noch denken freilich viele anders. „Die meisten Unternehmen betreiben immer noch einen Anwesenheitskult“, bemängelt Arbeitszeitberater Herrmann. Dort halte sich hartnäckig die Idee aus der Zeit der Frühindustrialisierung, dass man die Arbeitsleistung – die Fabriksirene grüßt – an der Arbeitszeit messe. Doch das hält Herrmann für überholt: „Die Zeit wird als Kontrollinstrument immer unwichtiger. Interessanter als der zeitliche Aufwand ist das Ergebnis.“

Eine Ansicht, die durch Kleimingers Studie noch gestützt wird: Ihr zufolge ist in der Arbeitseinstellung und im Zugehörigkeitsgefühl zur Firma kein Unterschied zwischen Teilzeit- und Vollzeitführungskräften festzustellen – die Teilzeitkräfte jedoch organisierten ihre Arbeit in der Regel zielstrebiger und konzentrierter, je kürzer ihre Arbeitszeit sei.

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