Auch eine Art Frauenkultur

Von Wäschebergen, Mülltrennung und omnipräsenten Hausstaubmilben: Hausarbeit – kaum fällt etwas weg, kommt etwas Neues hinzu  ■ Von Kaija Kutter

Mein Partner und ich haben manchmal Streit um die Wäsche. Nicht, weil er zu wenig, nein, weil er zuviel wäscht. Kleidung reinstopfen, Mittel dazu, nasse Kleidung auf die Leine (oder auf die Heizung, grr!) und dann trocken in den Korb. Da liegt er dann, der Berg. Neben meinem Bett. Donnerstag erst habe ich eine Stunde damit zugebracht, ihn wegzusortieren, Freitag früh war er schon wieder da. Habe beschlossen, den Saubere-Wäsche-Bergen Namen zu geben, so wie die Wetterforscher den Tiefs. Anatol, Berthold oder Cäsar. Bei denen kann man auch nie verhindern, dass sie kommen.

Nein, mein Partner gehört wahrlich nicht zum statistischen Durchschnitt der Männer, der sich täglich nur 3 Minuten mit der Wäschepflege beschäftigt, während Frauen es 39 Minuten tun. Er ist fleißiger als ich. Und ich bin nicht faul. Der Wäscheberg symbolisiert, dass am Ende eines turbulenten Tages in einem Haushalt mit zwei kreglen Kleinkindern Arbeit übrig bleibt. Wäschewegsortieren ist nicht so wichtig wie Nudeln kochen, Möhren schaben und dem Nachwuchs zum Verzehr aufdrängen, Kleinkinderpopo abwischen oder Buch vorlesen. Nur eines ist noch unwichtiger: das Entfernen von Staub.

Das unterscheidet mich von Agnes. Sie könne sich nicht mit mir zum Tee treffen und „High-Life“ machen, sagte sie vor Jahren, als wir unsere Babys im Kinderwagen spazieren fuhren. Schließlich sei sie mit der Bügelwäsche „nicht à jour“. Neben Bügelwäsche gab es für Agnes auch noch „Legewäsche“, Brot backen und Stoffwindeln waschen. Inzwischen, mit zwei Kindern, hat sie 14 Waschmaschinen-Ladungen wöchentlich, wie sie berichtete, als wir uns doch mal wieder zum Tee trafen. Dazu muss sie täglich die Bäder ihres Burgwedeler Reihenhauses putzen (ihre Jungs pinkeln soviel daneben), Brot backen, zwei mal warm kochen, zwei bis drei mal die Kinder neu anziehen, jede Woche die Betten neu beziehen und so weiter und so fort.

„Ich habe gar keinen Top-Standard“, findet Agnes. Die tägliche Reinigung von Böden und Betten sei schon nötig, um den Staubmilben zu Leibe zu rücken. Sie hat dafür einen speziellen Sauger, der die Abluft durch einen Wasserfilter reinigt. Stofftiere kommen regelmäßig in einen Sack, der mit dem Staubsauger unter Vakuum gesetzt wird. Damit die Milben-Eier platzen. Manchmal, so berichtet mir Agnes, sitzt sie auch einfach nur auf dem Bett und hält das Gerät in der Hand. Um die Luft zu reinigen.

Schamgerötet verlasse ich Agnes. Ich war zu feige, den Spiegel-Artikel aus meinem Rucksack zu kramen. „Gesund durch Hausstaub“, schrieb das Magazin im Mai. Amerikanische Forscher hatten herausgefunden, dass Babys, deren Umgebung besonders staubarm ist, eher zu Allergien neigen, weil Hausstaub ein Bakteriengift enthält, das das Immunsystem anregt. Die Nachricht war mir sehr wichtig, denn alles andere, was ich bisher zum Thema Staub gelesen habe, stellt brutale Anforderungen an meine Zeit. Ich solle doch bei allergiegefährdeten Kindern bitte glatte Böden haben, sagt der Kinderarzt. Die aber, so schreibt die Zeitschrift „Eltern“, brächten gegenüber Teppichen nur Vorteile, wenn sie täglich „nebelfeucht gewischt“ werden.

Ich finde, Staub ist nur eine Form von Materie und wenn man ihn liegen lässt, werden die Flusen auch nicht mehr. Vielleicht haben die Amis ja recht und es stellt sich heraus, dass der derzeitige Hausstaub-Verhinderungs-Wahn genauso zu den Akten gelegt werden kann wie der Hygiene-Wahn der 60er. Wurde doch später bekannt, dass übertriebene Sauberkeit Allergien fördert.

So ist es ein Hin und Her mit der Hausarbeit, kaum fällt etwas weg, kommt etwas Neues hinzu. Müll-Trennen zum Beispiel. All die Zeit, die mir der Geschirrspüler spart, geht durch die Joghurtbecher-Auseinanderfieselei (erst der Alu-Deckel, dann die Papier-Manschette, dann der Plastik-Becher) wieder drauf. Mütter leisten laut Familienministerium täglich fast sieben Stunden Arbeit im Haus, Väter weniger als die Hälfte.

Dabei haben sie auch noch den Beruf. Selbst der Deutsche Hausfrauenbund (DHB) geht davon aus, dass es die klassische „Nur-Hausfrau“, die keinen Wiedereinstieg vornimmt, in Zukunft nicht mehr geben wird. „Wir sind ein überalterter Verein“, sagt die Hamburger DHB-Vorsitzende Sigrid Rieck. Um junge Menschen zu werben, bieten die Frauen nun einen an acht Abenden zu erwerbenden „Haushaltsführerschein“ an. Auch Männer können da nähen, kochen oder Tische dekorieren lernen. Viele dieser Fähigkeiten, so Rieck, würden heute nicht mehr von Generation zu Generation weitergegeben.

Die Biografie-bedingten Abwehrmechanismen einmal ausgeschaltet, könnte einem schon die Idee kommen, dass Hausfrauenkultur auch Frauenkultur ist und nette Seiten hat. Meine 75-jährige Nachbarin zum Beispiel fährt jeden Pfingstmontag mit ihren Freundinnen zum Erdbeer-Pflücken und macht daraus Püree, bügelt ihre Unterwäsche, hält kultig-penibel den Haushalt sauber, veranstaltet Kaffeekränzchen und ist glücklich. „Früher war Hausfrau ein anerkannter Beruf“, sagt die Familien-Beraterin Christina Maria Tröber. Heute hingegen versuchten die jungen Familien es „irgendwie hinzubiegen“. Denen, die es nebenbei machen, fehlt die Zeit, denen, die es nur machen, die Wertschätzung. „Beides“, so Tröber, „bringt Frust.“

Meine Freundin Jutta ist hingegen der Ansicht, dass sich Hausarbeit tatsächlich auf ein Minimum reduzieren lässt. Sauber macht bei ihr eine Putzhilfe, Getränke liefert der Service, und ein Kind, das ganztags im Kindergarten ist, bringt zu Hause nur wenig durcheinander. Und weil sie die Ansprüche, die heute an Mütter gestellt werden, „brutal viel“ findet, rät sie einmal wöchentlich zum anspruchslosen Tag: nur TV, mittags Pizza und abends zu Mc D.