Elegant in Englisch

Ein Auslaufmodell mit Zukunft: Die Berliner HipHop-Gruppe Harleckinz veröffentlicht mit „Now we’re talKIN“ nach zehn Jahren ihr Debütalbum

von THOMAS WINKLER

Es ist nicht einfach, ein Auslaufmodell zu sein. Sollte man denken. Frag die Harleckinz, und die Sache sieht anders aus. „Wir sind einer der wenigen englischsprachigen Acts in der deutschen HipHop-Szene“, sagt Doubleface, einer der drei Rapper, „das ist problematisch, aber keine Behinderung. Wir ziehen unser Ding durch.“

Das Ding ist HipHop. Der beste, den Berlin momentan zu bieten hat. Im zehnten Jahr ihrer Existenz haben die Harleckinz mit „Now we’re talKIN“ ihr Debütalbum herausgebracht. Auf dem rocken Doubleface und seine beiden Kollegen Big Sal und Boogieknight radiotauglich das Haus. Ihre Raps sind intelligent und fließen so elegant und selbstverständlich wie bei nur wenigen anderen MCs im Lande. Ihre Texte haben nur einen Fehler: Sie sind in der falschen Sprache.

Während deutschsprachiger HipHop momentan boomt wie kein anderes Genre im Pop, geht der Marktanteil englischsprachiger Produktionen stetig zurück, ob sie nun aus Deutschland oder den USA selbst kommen. „Viele haben uns nahe gelegt, dass wir es doch mal auf Deutsch versuchen sollten“, erzählt Boogieknight, „aber wir bleiben dabei“

Noch in den G.I.-Clubs des alten Westberlin haben die drei HipHop lieben gelernt, damals noch als Jan, Christian und Markus. Amerikanischer Vater, jamaikanische Mutter, die Deutsch-Amerikanische Schule oder amerikanische Freunde im Sandkasten – zur Zweisprachigkeit kam jeder der drei auf verschiedenen Wegen, das Ziel aber haben sie gemeinsam: „Es ist klar, dass wir irgendwann auch mal auf Deutsch rappen“, sagt Boogieknight, „aber ich bin zuversichtlich, was den englischsprachigen HipHop angeht. Denn was gut ist, setzt sich durch, und das ist es, was wir machen: Gute Musik.“

Betonung auf: Musik. Denn nicht erst seit ihrem mittelschweren Hit „Berlin Love“, der auch schon für die Fruchtsäfte von Punica warb, mussten sie feststellen, dass sie in manchen Kreisen eher als Pop- denn als HipHop-Act wahrgenommen werden. Der Kinderchor im Refrain von „Berlin Love“ trug ihnen den Vorwurf ein, „A Hard Knock Life“ von Jay-Z zu kopieren. „Es gibt ja nicht nur Jay-Z, der jemals einen Kinderchor benutzt hat“, kontert Boogieknight. „Das ist nicht mal ein Sample, das sind Kinder von Freunden. Wir haben denen eine Pizza bestellt, ein paar Süßigkeiten geholt, und dann haben die das eingesungen“, ergänzt Big Sal.

Auch die modischen Latin-Einflüsse auf der aktuellen Single „Otra Vez“ sind mit dem Family-Prinzip erklärbar. Boogieknights Vater hat den spanischen Refrain geschrieben und gleich eingesungen. Mit „Said &Done“, dem vielleicht besten Track des Albums, bedienen sie auch gleich den anstehenden Ragga- und Dancehall-Hype. Aber auch die restlichen Songs fügen sich einerseits widerspruchslos in die Anforderungen für den möglichen kommerziellen Erfolg, decken andererseits aber nahezu das gesamte HipHop-Arsenal ab. Von bösen Hardcore-Raps New Yorker Prägung geht es zum entspannten Flow von der Westküste, von schweren Beats zu schwerelosen Samples, von satten Geigen zu eingängigen Refrains.

Dass Berliner Rap in der Republik nicht den allerbesten Ruf hat, ist ihnen unverständlich. „Es gibt ganz massive Vorurteile“, säuselt Boogieknight in seiner sanften Sprechstimme, und Sal ergänzt: „Die haben Angst mit uns ein Interview zu machen, weil sie denken, sie kriegen ein Messer in die Rippen.“ Ein zugegebenermaßen reichlich absurder Gedanke, so höflich und eloquent präsentieren sich die drei.

Man hat also genug damit zu tun, sich national zu etablieren, ist aber auch offen für den Rest der Welt, versuchte man doch Anfang der Neunzigerjahre auch im Ausland zu reüssieren. Da gingen die Harleckinz für einige Monate nach New York und hofften als deutscher, multikultureller HipHop-Act auf den Exotenbonus. „Das zählte da aber überhaupt nicht“, erzählt Big Sal, „eher im Gegenteil: Die New Yorker haben schon eine Aversion gegen Leute, die aus New Jersey kommen und versuchen, in ihren Clubs aufzutreten.“

So wurde man zwar freundlich aufgenommen, stand sogar im legendären Apollo in Harlem auf der Bühne, blieb aber doch nur ein Act unter vielen in der HipHop-Hauptstadt. Damals gingen sie in die USA, weil sie sich von einer mangelhaften Infrastruktur in Berlin behindert glaubten. Tatsächlich bleibt es bis heute verwunderlich, dass ausgerechnet aus der deutschen Hauptstadt mit ihren diversen, agilen HipHop-Szenen niemand den Sprung zu überregionaler Bekanntheit geschafft hat. Die Harleckinz machen dafür die während der Mauertage gewachsene und immer noch verwurzelte Insulaner-Mentalität der Berliner verantwortlich und wollen nun, „diese verlorene Zeit wettmachen“, so Big Sal.

Die KMC genannte Posse, die man um sich geschart hat, produziert bereits Videos, organisiert Tourneen und betreibt auch ein Label. Die Voraussetzungen sind also geschaffen, die Harleckinz müssen dann nur noch in der richtigen Sprache rappen.

Harleckinz: „Now we’re talKIN‘“ (WEA)