Erst abgetaucht, nun angeklagt

Zwei Rechte zogen am Vatertag 1997 prügelnd durch die Stadt. Nachdem sie wegen eines Angriffs verurteilt worden waren, tauchte einer von ihnen, der der Kameradschaft Köpenick angehören soll, ab. Heute stehen sie erneut vor Gericht

von BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA

Zwei rechte Jugendliche haben am Vatertag vor drei Jahren, am 8. Mai 1997, eine regelrechte Schlägertour veranstaltet, die am Nachmittag begann und bis nach Mitternacht andauerte. Zum Teil zusammen mit anderen Jugendlichen versetzten sie Fahrgäste in einer Straßenbahn, einem Bus und einer S-Bahn in Angst und Schrecken und verletzten diese zum Teil schwer. Obwohl in der Anklageschrift vom Oktober 1998 „das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bezüglich der Körperverletzung vorsorglich bejaht wurde“, müssen sich Christian S. (21) und Mario W. (23) erst heute Mittag für zwei der Angriffe vor dem Amtsgericht Tiergarten verantworten.

Eigentlich sollte die Verhandlung bereits im Sommer 1999 stattfinden. Doch Christian S., der der Kameradschaft Köpenick angehören soll, war abgetaucht. Wahrscheinlich wollte er sich einer Verurteilung entziehen. Denn im Sommer 1998 waren er und Mario W. verurteilt worden – wegen eines Überfalls auf zwei Männer und eine Frau in einer Straßenbahn am Nachmittag des 8. Mai 1997 – wenige Stunden vor den Übergriffen in Bus und S-Bahn. Sie hatten rechte Parolen gegrölt und eine Frau mit einem Bierglas beworfen. Christian S. bekam wegen schwerer Körperverletzung, dem Zeigen nationalsozialistischer Kennzeichen und Volksverhetzung eine Jugendstrafe von fünfzehn Monaten auf Bewährung, Mario W. eine Geldstrafe wegen Körperverletzung.

Gegen 1 Uhr beschimpfte Christian S. in einem Nachtbus einen Studenten aus Bayern mit den Worten „Scheißjudenschweine“ und „Scheißkanaken“ (siehe taz vom 19. 7. 1999). Nachdem er den Studenten mehrfach mit dem Ellenbogen ins Gesicht geschlagen hatte, hielt sich der Schläger an der Deckenstange fest und versuchte, ihn mit seinen Springerstiefeln ins Gesicht zu treten. Weil sich der Student die Arme vor das Gesicht hielt, trafen die Schläge seine Unterarme. Fazit des brutalen Überfalls, den etwa 20 Fahrgäste und der Busfahrer schweigend verfolgten: ein angebrochenes Nasenbein, eine Blutung am rechten Auge, eine Risswunde an der rechten Wange. Erst als der Verletzte gegenüber dem Busfahrer „Druck machte“, rief dieser die Polizei. Im Krankenhaus in Lichtenberg, wo er vernommen wurde, wollten die Beamten keine Täterbeschreibung.

Der Vorfall konnte aber aufgeklärt werden, weil die Täter wahrscheinlich verpfiffen wurden. Dabei stellte sich heraus, dass sie zusammen mit anderen 45 Minuten nach dem Überfall auf den Studenten zwei Männer und eine Frau in einer S-Bahn attackiert hatten. Christian S. stieß einem Mann mehrfach den Ellenbogen und einer Frau die Faust ins Gesicht. Mario W. schlug mit einem Schlagstock auf den Kopf eines anderen Mannes, bis der Stock zerbrach, und trat auf ihn ein. Eins der Opfer, das zeitweise das Bewusstsein verlor, erlitt eine Gehirnerschütterung und zwei Platzwunden.

Über die Gründe, warum nicht alle Übergriffe zu einem Verfahren zusammengefasst wurden, kann nur spekuliert werden. Einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden von Christian S. und dem ausstehenden Verfahren bezeichnete der Justizsprecher im vergangenen Jahr als „pure Spekulation“. Die Justizpressestelle konnte gestern keine Angaben zum Auftauchen von Christian S. machen.