„Chrisma“ kommt

Der „Sonntagsblatt“-Nachfolger hat nun endlich einen Namen, schon reichlich Auflage und fünf Jahre Garantie

Am 16. Oktober bekommt Deutschland eine neue Zeitschrift. Monatlich, mit Millionenauflage. Am Kiosk wird Chrisma aber nur schwer zu finden sein: Das Nachfolgeprodukt des Deutschen Allgemeinen Sonntagsblattes (DAS) wird anderen Blättern beigelegt, der Frankfurter Rundschau, der Zeit, auch der in Dresden erscheinenden Sächsischen Zeitung und natürlich der Süddeutschen, zu deren Mutterhaus das Sonntagsblatt seit Juni als „Volltochter“ gehört.

Bis Anfang Oktober wird dem DAS so eine letztmalige Gnadenfrist zuteil, eigentlich hätte die evangelische Wochenzeitung schon im Sommer in dem neuen Monatsmagazin aufgehen sollen. Doch Konzeption und vor allem die Titelfindung verspäteten sich: „Credo“ sollte es heißen, doch das war wohl selbst der evangelischen Kirche als Finanzier des Abenteuers zu nah dran an den „Hardcore-Protestanten“, wie der heutige DAS- und künftige Chrisma-Chefredakteur Arnd Brummer sagt. Auch „Manna“ wurde zwischenzeitlich ganz ernsthaft als Titel diskutiert, doch da hatte leider schon ein Postkartenversand die Rechte.

Nun also Chrisma. Der Name steht für die griechischen Anfangsbuchstaben des Heilands, doch die freie „Assoziation mit Begriffen wie Charisma oder christliches Magazin“, sagt Brummer, sei nicht ganz unerwünscht. „Weniger schlimm als die anderen“ findet auch ein DAS-Redakteur den neuen Namen. Und für die „Beileger“, meint Zeit-Verlagsmann Esser, sei der „Titel eigentlich tertiär“. Denn sie lassen sich das Projekt Chrisma voll bezahlen, und die Finanzierung für fünf Jahre gilt als gesichert: Mit 4,5 Millionen Mark unterstützt die Evangelische Kirche Deutschlands bis 2005 ihr neues Magazin. Das alte Sonntagsblatt, heißt es in EKD-Kreisen, hätte mindestens doppelt so viel gekostet.

Chrisma erscheint dafür nur monatlich, wird laut Brummer aber zunächst alle DAS-Mitarbeiter weiter beschäftigen. Umstrukturierungen sind allerdings unvermeidlich: „Wir werden da ansetzen, wo das Sonntagsblatt aufhört“, sagt Brummer. Aktuelle Politik- und Wirtschaftsberichterstattung wird es aber wohl kaum noch geben, schließlich ist das Sache der „Trägermedien“. Chrisma setzt dafür auf hintergründige Themen und anspruchsvolle Darstellungsformen: Essay, Reportage, Streitgespräch. Damit, so Chrisma-Mitherausgeber und Berliner Bischof Wolfgang Huber, sollen „mit populärem Profil und anspruchsvollem Journalismus jene Menschen“ erreicht werden, „denen Kirche, Glauben und Religion nicht mehr selbstverständlich erscheinen“.

Kein „Supplement mit ausschließlich kirchlichen Themen“ – das ist auch Hauptforderung der „Beileger“, die wie Esser das „Fremdprodukt“ als interessante Bereicherung“ sehen. Brummer lässt sich derweil schon mal in die Themenkiste für die erste Nummer gucken: Ein Streitgespräch zum Komplex „Gnade vor Recht“ soll es geben, Anliegen wie eine mögliche kirchliche Trägerschaft von Gefängnissen will man beleuchten, und auch Fragen wie „Haben Kampfhunde eine Seele?“ sind nicht von vornherein ausgeschlossen. Chrisma setzt auf Service, der gut evangelisch „Lebenshilfe“ heißen wird, und will den LeserInnen der weltlichen Blätter auch „berühmte Ketzer und Reformatoren“ vorstellen, so Brummer, denn „außer Luther kennt doch kaum einer das Personal“. Jetzt werde man den neuen Zielgruppen eben nahe bringen müssen, dass „Bonhoeffer kein Fußballer war“.

Wem das Monatssupplement mit 56 Seiten nicht genug ist, kann monatlich zusätzlich separate 80 Seiten Chrisma Plus kaufen, in der dann eine „ausführliche Tiefenbohrung“ der Weltläufte wie im Sonntagsblatt stattfinden soll.

Nach fünf Jahren soll Chrisma am Markt etabliert sein, so die ehrgeizige Planung, auch weitere „Beileger“ seien denkbar. Wie das Magazin allerdings die konkrete thematische Abgrenzung von den Träger-Titeln schaffen und seinen christlichen Anspruch verdeutlichen will, ohne gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, bleibt fraglich. Darauf, sagt ein Redaktionsmitglied, habe auch die Herausgeberrunde in der vergangenen Woche noch keine letztgültige Antwort gehabt. STG

Zitat:„Wir werden auch Ketzer und Reformatoren vorstellen, denn außer Martin Luther kennt doch kaum einer das Personal“