Wider Filz und Langeweile

Der Exbundestagsabgeordnete Hans Wallow will die Politik ins Theater bringen

Wie ein Revoluzzer wirkt er nicht. Ruhige Stimme, schütteres Haar, ein freundliches Lächeln, auf Verbindlichkeit trainiert in langen Jahren des Staatsdienerdaseins. Uncharismatisch und zuverlässig – jemand, der zufrieden schien, ein ganz normaler Bundestagsabgeordneter zu sein. Doch unter dem biederen Beamtenlook lauern zwei Jahrzehnte Frust. Jetzt hat Hans Wallow ein Theaterstück geschrieben. Seine These: Im Parlament herrschen Filz und Ödnis, die wenigen Idealisten werden zu Sacharbeitern glatt geschliffen.

Wallow muss es wissen: Zweieinhalb Legislaturperioden war er Mitglied des Deutschen Bundestags, 24 Jahre lang im höheren Staatsdienst, zuletzt als Vize-leiter der innenpolitischen Abteilung im Bundespresseamt. In dieser Zeit schrieb Wallow heimlich mit, etwa als ein wutschnaubender Schröder Kaffeekannen gegen die Wand donnerte. Und montierte reale Dialoge zu einem Theaterstück, das am 16. Februar 2001 in Brandenburg uraufgeführt wird.

Seit im vergangenen Jahr die ersten Szenen bekannt wurden, beschäftigt Wallow drei Rechtsanwälte und streitet mit dem Bundespresseamt, das ihn versetzen wollte. Für Wallow ein klarer Fall: eine Strafe. Denn die Politiker reagierten vergrätzt, warfen ihm vor, ohne Absprache Interna veröffentlicht zu haben.

„Bei uns wird Anpassung durch Rufmord erzwungen“, so Wallow, der sich vorzeitig pensionieren ließ. Nein, eine zweite Elfriede Jelinek wolle er mit seinem Skandal-Dokudrama nicht werden, sagt er. Sprachakrobatik interessiere ihn nicht; seine literarische Ambition sei das Insiderwissen: Für das gemeine Volk will er die Kulissen weit aufreißen, hinter denen die Politiker in nichtsnutzigen Ausschüssen hoch bezahltes Humankapital verquasseln.

„Es ist gefährlich, wenn Menschen, die über die Lebensbedingungen anderer Menschen entscheiden, unter Realitätsverlust leiden“, sagt Hans Wallow. Die Zunft der Berufspolitiker unterteilt der Expolitprofi in Sachbearbeiter, eitle Wahlkreiskönige, Netzwerkspinner und „die ganz Kranken, die Egomaschinen ganz oben, denen es um Macht geht“.

Für Thomas Haft, den künstlerischen Leiter des Brandenburger Theaters, ist Wallow auch wegen solcher Worte ein mutiger Streiter wider den Filz und die Langeweile. „Die Brisanz des Stückes liegt in seiner Generalisierung – das System ist der Skandal“, meint der Theatermann. Denn, so Wallows persönliches Resümee aus zwei Jahrzehnten Staatsdienst: „Der Abgeordnete wird im Parlament aufgerieben und ist am Ende Autist.“

COSIMA SCHMITT