Schönste Sache der Welt

■ Systemhysterie besingen auf ihrer Platte „Liebeslieder und mehr“ Herzschmerz und Zwischenmenschliches

Nein, auf ein simples Gefühl wollen sich die drei Musiker nicht reduzieren lassen. Und doch hat sich die Hannoveraner Band Sys-temhysterie ganz eindeutig der Liebe verschrieben. Schon auf ihrem Debütalbum mit dem viel sagenden Titel Liebeslieder und mehr trauert, sang und träumte Frontmann Tim Hespen von kaum etwas anderem, und auch der kürzlich erschienene Nachfolger mit deinem gefühl für mich beschäftigt sich fast ausschließlich mit Herzschmerz und Zwischenmenschlichem. Dass dabei keine Langeweile aufkommen mag, ist Hespens Sinn für emotionsgeladene Lyrik zu verdanken.

Schmachtend bis zerbrechlich kommen seine Lieder daher, seine Stimme sprüht geradezu vor Romantik und Charme – kaum zu glauben, dass der Niedersachse seine musikalische Laufbahn einst als Shouter einer krachlastigen Gitarrenband begann. Die verließ er übrigens auch deswegen, weil er seine Texte nicht mehr auf Englisch schreiben wollte. Damit hat er sich und der Welt einen großen Gefallen getan. Sicherlich kann man Zeilen wie „Ich schaff den Absprung nicht, weder von dir noch aus dem Fenster“ auch in einer fremden Sprache singen, aber würden wir sie dann auch verstehen?

Verträumten Pop im Herzen, den Punkrock höchstens noch im Hinterkopf: Auf ihrem neuen Album präsentieren sich Systemhysterie melodischer als früher und erinnern dabei an Dave Matthews oder den verstorbenen Jeff Buckley. „Habe angefangen, selbst die unschönen Seiten an dir zu vermissen“ – so wunderbar wird Weltschmerz hierzulande sonst eigentlich nur in Hamburg besungen.

Während Blumfeld, Tocotronic und Konsorten den Sprung in die Öffentlichkeit schon vor einiger Zeit geschafft haben und nicht nur bei Kritikern, sondern auch bei Plattenkäufern Anklang finden, müssen Systemhysterie derzeit noch „im Schatten dichten“. Das soll sich bald ändern („Wenn man mit seiner Leidenschaft Geld machen kann, sollte man es auch versuchen“). Also tourt das Trio beherzt durch jeden noch so kleinen Club im ganzen Land, am 19. September sind sie nun im Hamburger Molotow zu Gast. Es müsste schon äußerst ungerecht zugehen, wenn die drei Systemhysteriker nicht bald auch größere Hallen füllten. Vorausgesetzt natürlich, dass Sänger Hespen nicht vorher an Liebeskummer stirbt. Sebastian Leber

Dienstag, 21 Uhr, Molotow