Narben im Gehör

■ Klaus&Klaus lassen ihre altbackene Werder-Hymne im Stil von Mr. President remixen

„Kommt Hymne?“ fragt vor jedem Fußballspiel ein Bewohner des Heims für geistig Behinderte, in dem ich Zivildienst leistete. Damit sagt er auf seine Weise, dass nur die Nationalmannschaft seiner Aufmerksamkeit würdig ist.

Werder Bremen könnte ihn nun austricksen: Der Verein hat seine eigene Hymne, die bei jedem Heimspiel ertönt. Eigentlich nichts Neues: Das Stück „Wo die Weser einen großen Bogen macht“ haben die Blödel-Barden Klaus&Klaus schon vor Jahren geschrieben. Auf den britischen Inseln haben die Melodie-Verstümmler Feinde, seit sie das wunderschöne britische Volkslied „Wild Rover“ zu „An der Nordseeküste“ verhunzten. Hierzulande wünscht man sich spätes-tens bei Erklingen ihrer Werder-Hymne die Tage zurück, da sie noch als Torf-Rocker mit „Raddadazong!“ Balkone entfernten. Im Vergleich zu dem Gestolper, mit dem die beiden ihrer großen Liebe Werder Bremen huldigen, erscheint „Reim-dich-oder-ich-fress-dich“ wie eine Anleitung zu poetischer Vollendung.

Nun gilt in Zeiten des demokratisierten Sampling ja kein Song mehr etwas ohne Remix. Deshalb wurde auch der Werder-Hymne diese zweifelhafte Aufwertung zuteil: Ein Drumcomputer durfte das sentimentale Geschunkel mit 120 beats per minute unterlegen („brasilianische House-Rhythmen“ laut PR-Text), die so genannte Melodie quäkt jetzt zusätzlich ein Synthie im Kinder-Tekkno-Sound. Kein Wunder: Verantwortlich zeichnet der Werder-Fan Kai Matthiesen, der schon als Produzent des Bremer Export-Schlagers Mr. President weltweit die Kids zum Hopsen brachte. Ausgerechnet dort „wo die Weser einen großen Bogen macht“ scheint den erfolgsverwöhnten Sound-Tüftler nun aber das Hit-Gespür verlassen zu haben.

Auch für eine Reihe von Fanfaren, wie sie vor Jahren schon aus den USA in Europas Eishockey-Stadien geschwappt sind, war er sich nicht zu schade: Der „Einlauf der Mannschaft“ klingt in dieser Saison wie der von Ben Hur – wahrscheinlich muss deshalb auch die Aschenbahn im Weserstadion erhalten bleiben. Auch für Werder-Ecken oder -Tore gibt es eigene „Audio-Brandings“ (PR) – das sind keine mutwillig beigebrachten Narben im Gehörgang, aber man muss befürchten, dass sie so was verursachen. „Zum Glück hat Werder nur zwei Ecken geschossen“, sagte der Kollege, der vom letzten Heimspiel kam. Vielleicht halten die Profis sich bewusst zurück, um dem Akustik-Terror zu entgehen?

Das ganze Stadion-Stimmungs-Arsenal können Fans sich nun auch auf CD mit nach Hause nehmen. Damit können sie bei der Sportschau selbst die Jubel-Sounds einspielen, wenn Werder auswärts den nächsten Einlauf kriegt... jank

Klaus&Klaus: Wo die Weser einen großen Bogen macht. the-beat.de