der jackenverlierer
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von JÜRGEN ROTH

König Alkohol? Dämon! Teufel und tausend Flüche ihm. Da hat’s zufällig prima Wetter, und man geht erst mal trainieren, schwimmen. Zu zweit, als Paddelduo praktisch, funktioniert das am besten. Nach drei, vier Minuten, die man nebeneinander seine Kraulbahnen zieht, zischen Omas und diese plötzlich auftauchenden Quertreiber von pommesaufgequollenen Rotzlöffeln nolens volens ab und lassen einen in Ruhe. Ich hasse es zu stoppen. Wenn zwei Irre eine Schneise dreschen durch die Fluten, klappt das selbst bei 28 Grad.

Also, erst mal schwimmen, und dann auf den fabelhaften Lohrberg, ein Parkambiente über Frankfurt, fahren und in der Schenke zwei, drei frische Weizen trinken. Die Buchen rascheln leise, die Luft sirrt, und das kühle Bier schmeckt sogar als Binding. Unglaublich.

Es werden natürlich fünf. Aller guten Bindinge sind fünf. Gut. Gurkt man wieder runter in die Stadt, der Kollege hätte da noch vier kalte Bitburger. Die man kurz trinkt, plus Schnaps und Wein. Wenn der leer ist, geht man auf die Gasse zum Chinesen und trinkt Bier. Zwei Freunde kommen vorbei, und die trinken auch Bier und Schnaps. Alles gut. Ein mittelalter Mann, dessen Zehen amputiert wurden (Zucker), säuft dito wie ein Schuft und heult und weint und erzählt Geschichten, und ich kaufe ihm mehr Bier.

Um halb eins bin ich geringfügig betrunken und werde überzeugt, das Auto „stehen zu lassen“ und die U-Bahn zu nehmen. „Gut“, sage ich dem einen Freund, „mach doch bitte das Dachfenster von meinem Auto da noch zu, sonst klauen die mir meine Korrekturfahnen und John-Lee-Hooker-Platten und meine Lederjacke“, die ich natürlich bei so einem Wetter dabeihaben muss. „Gut“, sagt er, „mach ich.“ Ich gondele nach Hause und denke, hoffentlich brechen sie die Karre nicht auf und klauen meine Jacke nicht.

Am nächsten Morgen erwache ich recht unfrisch und lese betäubt irgendwas und fahre dann zu meinem Auto, das sie nicht aufgebrochen haben, das aber auch meine Jacke nicht enthält. Autos sollten Jacken enthalten, die man in sie hineinlegt, vor allem, wenn es eine selten schöne und die einzige ist, die man hat; und vor allem dann, wenn sie alle Papiere enthält. Besitzreduktion ist gut, aber sie verpflichtet auch den Kernbesitz dazu, gefälligst nicht zu verschwinden oder verloren zu werden.

Gut, nicht gut, die Platten, die Fahnen sind da, die Jacke ist weg. Keine Einbruchspuren am Auto. So, hinauf zum Kumpel, rumtelefonieren und dies zähe postalkoholische Rekonstruieren, wann hattest du sie wo wie und warum an. Ich wusste es genau, sie blieb jedoch weg. Eine mittlere Katastrophe, ja ein sehr deprimierender Vorgang, so ein Jackewegbleiben. Kein Kneipier wusste was.

Gut, fahre ich mit dem Auto nach Hause, und im Flur am Haken, sehe ich, hängt die Jacke. Das meint: Ich hatte diese Jacke nie dabei, und wenn man das merkt, könnte man sich wirklich vermöbeln. Das ist es, was den Alkohol so hassenswert macht: diese unglaublich schlichte Dumpfdummheit.

So, jetzt kann ich ins Café und Korrektur lesen und meine Jacke vergessen.